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# taz.de -- Omikron und Infektionsschutz: Aller guten Dinge sind …
> Sollte infolge täglicher Inzidenzrekorde und Impfdurchbrüche durch
> Omikron erneut geboostert werden? Experten sind sich uneinig.
Bild: Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse: Eine Corona-Impfparty in I…
Berlin taz | Die Zukunft sieht oft rosig aus, zumindest so lange, bis sie
zu Gegenwart mutiert. Das hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz gerade wieder
erfahren müssen, nachdem sein voller Optimismus ausgerufenes Impfziel für
Ende Januar unerreicht geblieben ist. 80 Prozent der Bevölkerung sollten
bis einschließlich vergangenen Montag mindestens einmal immunisiert sein,
tatsächlich haben nicht einmal 76 Prozent die erste Dosis bekommen. Die
Impflücke, sie will einfach nicht zugehen. Sogar die Zahl der
Drittgeimpften krebst seit Wochen knapp oberhalb von 50 Prozent herum.
Unterdessen haben andere Länder längst begonnen, Teile ihrer Bevölkerungen
zum vierten Mal zu impfen. In Israel hatte ein Expertenrat Mitte Januar
sogar empfohlen, sämtliche Erwachsenen zum zweiten Mal zu boostern.
Angeboten wird die vierte Dosis inzwischen allen Israelis, die älter als 60
Jahre, wegen Vorerkrankungen gefährdet oder in häufigem Kontakt mit
Risikogruppen sind.
Und auch deutsche Experten haben sich dafür ausgesprochen, die vierte
Impfung zeitig vorzubereiten, um schwere Verläufe in der Omikron-Welle
möglichst zu vermeiden. So sagte der Intensivmediziner Clemens Wendtner von
der München Klinik Schwabing Mitte Januar, eine vierte Dosis sei auch mit
den aktuellen Impfstoffen für all jene sinnvoll, die schon im vergangenen
Spätsommer geboostert worden seien. Andere Fachleute hatten bereits im
Dezember für eine vierte Impfung plädiert. Eine Empfehlung der Ständigen
Impfkommission gibt es dafür allerdings bisher nicht.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wiederum hatte vor wenigen
Tagen [1][auf einer Pressekonferenz gesagt], die Omikron-Welle sei als
Welle nicht zu kontrollieren, wohl aber könne man die Folgen minimieren.
„Wir wollen durch diese Welle kommen mit so wenigen schweren Verläufen und
Todesfällen wie möglich“, sagte er. Die aktuellen Zahlen zeigen derweil
deutlich, dass die Ältesten nach wie vor das höchste Risiko für schwere
Verläufe und Tod haben. Lauterbach sieht den Schutz der ab 60-Jährigen
deshalb als prioritär.
Wie dieser Schutz allerdings gewährleistet werden soll, ist bislang unklar.
Eine allgemeine Impfpflicht, welche die letzten Impflücken schließen
könnte, wird zwar seit Monaten diskutiert, zuletzt in einer zähen
Orientierungsdebatte im Bundestag. [2][Bislang blieb die Diskussion jedoch
ohne konkretes Ergebnis.] Die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der
Altenpflege und in den Kliniken, die für Mitte März beschlossen ist, wird
unterdessen bereits ausgehöhlt, die Gesundheitsämter fühlen sich mit der
Kontrolle überfordert. Ungeimpfte Pflegekräfte sollen laut
Bundesgesundheitsministerium nach dem Stichtag 16. März deshalb
weiterarbeiten dürfen.
## Heißt es also wieder: Boostern, was das Zeug hält?
Und so kommt es, dass sich manche der geimpften Älteren nach Berichten über
nachlassenden Impfschutz, Impfdurchbrüche und tägliche Inzidenzrekorde die
bange Frage stellen, ob sie nach den vergangenen vier Wellen denn nun auch
Omikron noch entrinnen können – obwohl sie sich mehrfach impfwillig gezeigt
haben. Gewiss ist das tatsächlich nicht. Zwar ist die Zahl der Gestorbenen
in den vergangenen Wochen stetig gesunken, Omikron gilt generell als etwas
milder im Verlauf als Delta. Allerdings kann sich dieser Trend noch
umkehren. Auch in den bisherigen Wellen setzte ein Anstieg der Sterbefälle
mit einigen Wochen Verzögerung ein. Mehrere Studien haben gezeigt, dass
zweifache Impfungen trotz ihrer generell sehr guten Wirkung bei älteren
Mitmenschen oft weniger effektiv sind.
Heißt es deshalb also wieder: Boostern, was das Zeug hält, im Zweifel eben
ein viertes Mal? Die Weltgesundheitsorganisation spricht sich schon aus
Gründen der globalen Gerechtigkeit vehement dagegen aus.
Viertimpfungskampagnen würden die Impfstoffknappheit in Entwicklungs- und
Schwellenländern weiter verschärfen, in einigen Teilen der Welt sind
bislang nur wenige Prozent der Bevölkerung immunisiert. Viele Ländern sind
abhängig von Impfstoffspenden aus den Industriestaaten.
Aber auch aus medizinischer Sicht gibt es noch viele Fragezeichen zur
Notwendigkeit eines zweiten Boosters. Dass es an der Zeit wäre, allen
Drittgeimpften oder Drittgeimpften ab 60 Jahren nach vier bis sechs Monaten
offiziell eine vierte Dosis zu empfehlen, hält auch Leif-Erik Sander von
der Berliner Charité für falsch. „Dafür gibt es schlicht keine gute Evidenz
zurzeit“, sagt der Immunologe und Lungenfacharzt. Dem Experten sind derzeit
lediglich vereinzelte Daten und Mitteilungen über vierte Impfungen aus
Israel bekannt. „Diese Daten zeigen, dass eine vierte Dosis etwas bringt,
das ist immunologisch auch naheliegend“, sagt Sander. „Der Unterschied in
der Schutzwirkung zwischen Dritt- und Viertgeimpften ist aber nicht
annähernd so groß wie zwischen Zweit- und Drittgeimpften.“
Die allgemeine Empfehlung einer vierten Impfung wäre nach Sanders
Auffassung zudem kein gutes Signal für jene, die noch gar nicht geimpft
sind. „Wenn diese Menschen hören, dass sie sich noch insgesamt viermal
impfen lassen müssen, werden es viele vielleicht gleich ganz lassen“, sagt
der Impfstoffexperte. Vier Impfungen seien nach derzeitigem Kenntnisstand
in der Regel auch nicht nötig. „Mit drei Impfungen sind alle Immungesunden
wirklich sehr gut geschützt vor einer schweren Erkrankung.“ Das gelte auch
für immungesunde Ältere über 60 Jahren.
Eine vierte Dosis kategorisch auszuschließen, sei aber genauso falsch. „Man
muss es im Einzelfall medizinisch abwägen“, sagt Sander. „Wenn ich Bedenken
habe, dass es Patient:innen selbst mit einer moderaten
Durchbruchsinfektion wirklich schlecht gehen könnte und sie deshalb
besonders gefährdet sind, dann würde ich ein weiteres Mal boostern.
Dasselbe gilt für immunschwache Patient:innen.“ Wenn ein an die
Omikron-Variante angepasster Impfstoff zur Verfügung stehe, könne aber eine
weitere Boosterimpfung auch für weitere Teile der Bevölkerung sinnvoll
werden.
1 Feb 2022
## LINKS
[1] /Omikron-und-Infektionsschutz/!5832376
[2] /Bundestagsdebatte-zur-Impfpflicht/!5832186
## AUTOREN
Kathrin Zinkant
## TAGS
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