# taz.de -- Apartheidsvorwurf gegen Israel: Glaubwürdigkeit verspielt | |
> Amnesty International macht Israel Apartheid zum Vorwurf. Dem Bericht | |
> mangelt es an Sensibilität und Genauigkeit. | |
Bild: Grenzkontrolle für Palästinenser in Qalandiya, Westbank | |
Der am Dienstag veröffentlichte Bericht von Amnesty International unter dem | |
Titel [1][„Israels Apartheid gegen die Palästinenser“] mag nicht | |
antisemitisch motiviert sein. Doch er sollte angesichts von erneut | |
wachsendem Antisemitismus mehr Sensibilität zeigen. Und Genauigkeit. Beides | |
ist nicht der Fall. | |
Ein Beispiel: Laut Bericht würden sämtliche Palästinenser*innen | |
unter Apartheid leiden, unabhängig davon, wo sie leben: im Westjordanland, | |
im abgeriegelten Gaza oder als palästinensisch-israelische Staatsbürger in | |
Israel. Auch die im Krieg 1948 Geflohenen oder Vertriebenen zählt die | |
Menschenrechtsorganisation dazu. | |
Der Begriff Apartheid kann auf die Lebensbedingungen im Westjordanland | |
angewandt werden, ohne dass es abwegig scheint: die | |
Palästinenser*innen leben dort seit 1967 unter israelischer | |
Militärherrschaft. Jedoch zu behaupten, dass die Palästinenser*innen | |
in Israel unter einem Apartheidsregime leben, ist absurd – auch wenn auch | |
sie ohne Frage unter Diskriminierung leiden. | |
Als Beispiel dafür dient das 2018 erlassene [2][Nationalstaatsgesetz], nach | |
dem Israel die „nationale Heimstätte des jüdischen Volkes“ ist und das | |
Arabische als offizielle Sprache neben dem Hebräischen keinen Platz mehr | |
hat. Doch die palästinensischen Israelis sind abgesehen davon den Gesetzen | |
nach jüdischen Israelis völlig gleichgestellt, haben die israelische | |
Staatsbürgerschaft und stellen unter anderem [3][zwei Minister in der neuen | |
Regierung]. | |
Ein Detail, könnte man meinen. Doch auch wenn es natürlich Diskriminierung | |
gibt, die Lebensbedingungen von Palästinensern über einen Kamm zu scheren, | |
ist im besten Fall undifferenzierte Nachlässigkeit und im schlimmsten Fall | |
Absicht – um ein möglichst dämonisches Bild von Israel herstellen zu | |
können. | |
Amnesty International verspielt damit seine Glaubwürdigkeit und so könnte | |
der Duktus des Berichts der Sache der Palästinenser*innen eher | |
schaden als nutzen. Dabei hätten sie, denen internationale Unterstützung | |
immer mehr abhandenkommt, diese dringend nötig. Es sollte allerdings keine | |
sein, die Wasser auf die Mühlen der Antisemiten gießt. | |
1 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.amnesty.org/en/ | |
[2] /Neues-Nationalstaatengesetz-in-Israel/!5525365 | |
[3] https://main.knesset.gov.il/EN/mk/government/Pages/governments.aspx?govId=36 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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