| # taz.de -- Jadgesetznovelle in Niedersachsen: Jäger:innen dürfen aufrüsten | |
| > Niedersachsen möchte im Jagdgesetz künftig den Einsatz von besserer | |
| > Technik bei Nacht erlauben. Tierschützer:innen wollen die Novelle | |
| > verhindern. | |
| Bild: So könnte es niedersächsischen Füchsen künftig öfter ergehen | |
| Osnabrück taz | Es gibt Gesetze, die kennt kaum jemand. Eines davon ist das | |
| Niedersächsische Jagdgesetz. Aber nun steht dazu eine Novelle an, und mit | |
| seinem Nischendasein ist es vorbei. | |
| Es geht um Paragraph 24, Absatz 4. Der soll neu eingefügt werden und | |
| beinhaltet eine Erlaubnis von sogenannter Nachtzieltechnik – obwohl der | |
| Paragraph 19 des Bundesjagdgesetzes sie verbietet. Auch für die Jagd auf | |
| „Raubwild“ soll diese Erlaubnis gelten. Dieses hätte man, neutraler | |
| formuliert, auch „Beutegreifer“ nennen können. Stattdessen hat man zu | |
| Rhetorik der Jägersprache gegriffen. Räuber? Gefahr! | |
| In einem Offenen Brief, der unter anderem an Niedersachsens | |
| Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landwirtschaftsministerin Barbara | |
| Otte-Kinast (CDU) gerichtet ist, fordern der Wildtierschutzverband und die | |
| Bürgerinitiative Pro Fuchs Deutschland die Aussetzung der Novelle. Und weil | |
| zum „Raubwild“ auch der Fuchs zählt, fordern sie zugleich, dessen Bejagung | |
| komplett zu verbieten. Sie sei „unethisch, barbarisch und ökologisch | |
| falsch“. Auch eine Landtags-Petition ist dazu in Vorbereitung. | |
| „Das wäre eine grausame Verschlechterung“, sagt Manuela Schleußner, | |
| Vorsitzende von Pro Fuchs Deutschland, der taz. „Die Jäger versuchen, ihr | |
| blutiges Hobby zu verteidigen, indem sie gegen Wildtiere hetzen.“ | |
| ## „Lizenz zum Töten“ | |
| Der Fuchs sei kein Problem, so Schleußner. Es sei längst widerlegt, dass er | |
| unbejagt Überhand nehme oder dass er die Ursache des Rückgangs von | |
| Bodenbrütern wie Rebhuhn und Feldlerche sei. Denn dieser entstehe aus einem | |
| Mangel an Lebensraum und Nahrung, verursacht durch die Agrarwirtschaft. | |
| „Leider fragt man dazu aber immer nur die Jäger“, sagt Schleußner. „Und… | |
| sind keine Experten für Wildtiere.“ Ein Jäger brauche für seine „Lizenz … | |
| Töten“ nur eine Schulung von 120 bis 150 Stunden. Ein Wildbiologe brauche | |
| bis zur Promotion 10 bis 12 Jahre. | |
| „Die Jagdlobby ist stark, auch im niedersächsischen Landtag“, bestätigt | |
| Peter Höffken, Fachleiter bei der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland, | |
| die selbst eine Kampagne „Fuchsjagd stoppen!“ führt. „Da geben | |
| tierfeindliche Kräfte den Ton an“, sagt er der taz. Der Fuchs werde von den | |
| Jägern „als Konkurrent betrachtet“. | |
| Johann Beuke von Pro Fuchs Deutschland – er ist selbst Jäger – sieht das | |
| genauso: „Jäger sind keine Naturschützer, sondern reine Naturnutzer. Und | |
| der Staat lässt sie einfach gewähren.“ Beuke ist ein Gegner der | |
| Nachtsichttechnik: „Damit sind Hobbyjäger militärtechnisch besser gerüstet | |
| als die Bundeswehr.“ | |
| In der Jagdsaison 2020/2021 wurden in Niedersachsen 60.900 Füchse getötet, | |
| im Jahr davor waren es 65.600. Durch die Nachtsichttechnik könnten es noch | |
| mehr werden. | |
| „Das Ministerium ist da nicht sehr innovativ“, sagt Miriam Staudte, | |
| Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag und | |
| Sprecherin für Landwirtschaft. „Mit der Nachtsicht-Erlaubnis tut es den | |
| Jägern keinen Gefallen. Die Gesellschaft sieht die Jagd ja ohnehin schon | |
| kritisch.“ | |
| ## „Wir brauchen eine Reform der Agrarlandschaft“ | |
| Die Nachtsichttechnik verbessere die „tierschutzgerechte Tötung“, sagt | |
| Natascha Manski, Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums, der taz. | |
| Staudte sieht das anders: „Wer die verbessern will, sollte keine Technik | |
| zulassen, die dazu verführt, Tiere zu erlegen, die man nur schemenhaft | |
| erkennt, sondern eine bessere Schießausbildung sicherstellen.“ Jagd per | |
| Nachtsicht führe zudem dazu, „dass Tiere rund um die Uhr von Jägern | |
| beunruhigt werden“. Das sei falsch. | |
| Zur Fuchsjagd im Allgemeinen sagt das Ministerium: „Im Hinblick auf die in | |
| die Hunderttausende gehenden Finanzmittel, die jährlich in die | |
| Artenschutzprojekte eingebracht werden“ sei es verfehlt, die | |
| „ernstzunehmenden Fragen“ zu ignorieren, die „die Boden- und | |
| Wiesenbrüterschutzprojekte in Deutschland gegenwärtig mit dem Fuchs und | |
| anderen Beutegreifern haben. | |
| „Der Einfluss des Raubwildes insbesondere auf bodenbrütende Arten“ könne | |
| sehr hoch sein. Als sogenannter generalistischer Prädator, also als | |
| Beutegreifer ohne spezialisierte Nahrung, könne es sich der Fuchs leisten, | |
| „einen Teil seiner Beute auch so stark zu nutzen, dass sie aus dem | |
| Nahrungsspektrum verschwindet“. | |
| Manski räumt allerdings ein: „Unbestritten liegen die Hauptursachen für den | |
| Rückgang der Boden- und Wiesenbrüter in unser Kulturlandschaft in der Land- | |
| und Freizeitnutzung sowie in der Klimaveränderung.“ Das sieht Miriam | |
| Staudte ähnlich. Ihr Fazit: „Wir brauchen eine Reform der Agrarlandschaft.“ | |
| 2 Feb 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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