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# taz.de -- Zuverlässigkeit von Coronatests: Die Tücken der Schnelltests
> Antigen-Schnelltests sind nicht zu 100 Prozent zuverlässig. Das hat
> verschiedene Gründe. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bild: Sind Schnelltests bei Geimpften unzuverlässiger als bei Ungeimpften?
Wie funktionieren die Schnelltests?
Im Gegensatz zu den genaueren PCR-Tests erkennen die Antigen-Schnelltests
nicht das Erbgut des Virus an sich, sondern nur dessen Proteinhülle. „Die
mit dem Virus befallenen Zellen werden gespalten und das dabei freigesetzte
Nukleoprotein wird nachgewiesen“, erklärt Johannes Knobloch, Facharzt für
Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und Leiter der
Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die
unterschiedliche Qualität der Tests, was die Zuverlässigkeit angeht, hänge
damit zusammen, wie gut der jeweilige Hersteller es geschafft hat, das
Zusammenspiel von Pufferlösung und Reagenzie auf der Testkartusche
auszutarieren. Je besser, desto zuverlässiger weist der Test das Protein
nach.
Warum schlagen die Tests häufig noch nicht an, obwohl der:die
Patient:in schon hochinfektiös ist?
Knobloch erklärt dieses Phänomen folgendermaßen: „Damit ein Antigentest
anschlägt, braucht es einen Überschuss des Nukleoproteins.“ Dieser
Überschuss entstehe aber in der Regel erst ein paar Tage nach Beginn der
Infektion. Nämlich dann, wenn die von dem Sars-CoV-2-Virus befallenen
Schleimhautzellen kaputt gehen und dabei große Mengen des zerstörten
Virusmaterials freisetzen.
Doch auch unabhängig davon sind Schnelltests unterschiedlich zuverlässig,
wie der Test auf der gegenüberliegenden Seite zeigt. So reicht bei hoher
Viruslast die Sensitivität von 0 Prozent bis 100 Prozent. Von 100
Infizierten mit hoher Viruslast wurden also jeweils 0 oder eben 100
Personen korrekt als positiv identifiziert. Bei sehr hoher Viruslast sehen
die Zahlen deutlich besser aus. Hier werden die 100 Prozent bei vielen
Tests erreicht. Umgekehrt versagen die meisten Tests bei niedriger
Viruslast. Das Problem ist: Für Kund:innen ist es kaum möglich, gezielt
etwa die am besten abschneidenden Tests zu erwerben. Online gibt es sie
teilweise überhaupt nur für gewerbliche Abnehmer:innen und der
Einzelhandel bietet nur eine eingeschränkte und wechselnde Auswahl. Wer vor
Ort oder online den jeweils besten erhältlichen erstehen will, dem:der
hilft ein Blick auf die Liste, die das zuständige Paul-Ehrlich-Institut
(PEI) unter [1][http://www.pei.de/antigentests] veröffentlicht.
Funktionieren die Tests auch bei der Omikron-Variante?
Die US-Arzneimittelbehörde (FDA) schlug kürzlich Alarm: Die Schnelltests
würden bei der jüngst entdeckten Omikron-Variante möglicherweise nicht
zuverlässig anschlagen. Das deutsche PEI hat sich dieser Frage im Dezember
angenommen und bewertet die Situation etwas optimistischer als die FDA.
Denn die große Mehrheit der 245 Antigentests, die das Institut bis Mitte
Dezember untersucht hatte und von denen 199 die Prüfung bestanden (die
durchgefallenen 46 sind hierzulande nicht mehr erhältlich), wies das
Nukleoprotein (N-Protein) des Coronavirus nach. Die Mutationen der
Omikron-Variante würden aber vor allem das S-Protein betreffen. Das Fazit
der Behörde: „Auf der Grundlage der aktuellen Datenlage geht das
Paul-Ehrlich-Institut davon aus, dass die allermeisten der in Deutschland
angebotenen und positiv bewerteten Antigentests eine Omikron-Infektion
nachweisen können.“ Die „allermeisten“ heißt aber eben auch: nicht alle.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte nun vergangene Woche an,
dass er beim PEI eine Positivliste beauftragt hat, die nur Omikron-sichere
Tests enthalten soll. Laut PEI sind erste Ergebnisse derzeit Mitte Februar
zu erwarten.
Mit Blick in die Zukunft könnte es aber noch Potenzial geben. Es gibt erste
Hinweise darauf, dass Antigentests Omikron im Rachen früher nachweisen
können als in der Nase. Beim Schnelltest zu Hause lässt sich das schnell
einbauen und mit dem Tupfer einmal tief im Rachen langfahren, bevor es in
die Nase geht. In den Testzentren geht das nicht so einfach, da die meisten
Schnelltests aktuell nur für den Abstrich in der Nase zugelassen sind.
Was bringen dann Schnelltests?
Wer verhindern will, dass etwa auf einer Feier oder dem Spieleabend jemand
von den Gästen infiziert ist – der kann nur mit Schnelltests eben nicht zu
100 Prozent sicher sein. Hier würden nur die genaueren PCR-Tests helfen, in
Kombination mit einer vorbeugenden Quarantäne von etwas vor dem Test bis
zur Veranstaltung. Dass PCR-Tests Veranstaltungen wirksam absichern können,
hat ein Modellprojekt in Berlin gezeigt, das von der Charité
wissenschaftlich begleitet wurde. Im Rahmen des Projekts wurden sämtliche
Clubbesucher vor dem Feiern mittels PCR getestet. Die Charité begleitete
das Projekt und kommt in der Auswertung zu dem Schluss, „dass keine
Ansteckung während des Clubculture-Events stattgefunden hat“. In Zeiten
knapper Ressourcen bei PCR-Tests sind allerdings derartige Einsatzzwecke
kaum zu vermitteln. Was die Frage aufwirft, ob es nicht eine breitere
Verfügbarkeit kostenloser PCR-Tests in Kombination mit deutlich erweiterten
Laborkapazitäten bräuchte.
Auf gesellschaftlicher Ebene helfen die Schnelltests aber trotz ihrer
Schwächen: Zum einen, weil sie in der Breite eben doch eine Reihe von
Infektionen erkennen und damit Ansteckungen verhindern. Zum anderen, weil
die Schnelltests eben nur eine Scheibe sind im Schweizer-Käse-Modell gegen
die Pandemie: Jede Maßnahme für sich – Schnelltests, Masken,
Kontaktreduktion, Impfungen, Lüften, Luftfilter und so weiter – hat ihre
Löcher, aber in Kombination bieten sie eben doch einen signifikanten Schutz
vor Ansteckungen
Sind die Tests bei Geimpften tatsächlich unzuverlässiger als bei
Ungeimpften?
Anekdotisch häufen sich die Fälle, in denen Geimpfte mit Symptomen zunächst
ein negatives Schelltestergebnis erhielten – und erst einen oder mehrere
Tage später ein positives. Der Virologe Christian Drosten sagte Anfang
Januar [2][im NDR-Podcast]: „Seitdem wir impfen, sind diese Antigentests
geringfügig ein bisschen schlechter sensitiv.“ Das seien aber
„vernachlässigbare Effekte“. UKE-Professor Knobloch sagt: „Es ist auch
vorstellbar, dass es bei Geimpften Verläufe mit geringer Viruslast gibt,
wo der Antigentest die gesamte Zeit über falsch negativ bleibt.“ Gerade bei
Symptomen und wenn man unter Menschen gehen muss oder möchte, macht es
daher Sinn, doch die Hausärztin nach einem PCR-Test zu fragen.
Ist es dann sinnvoll, dass Gebooste r te auch ohne Test an 2G -plus
-Veranstaltungen, bei denen sonst Testpflicht herrscht, teilnehmen dürfen ?
„Geboosterte sind die Gruppe, wo ich relativ den geringsten Nutzen von
flächendeckenden Tests habe“, sagt Knobloch. Denn die Wahrscheinlichkeit,
dass hier jemand infektiös werde, sei im Vergleich zu Menschen mit weniger
oder keiner Impfdosis deutlich geringer. Im Einzelfall kann aber dennoch
alles anders aussehen – und ein Test eine Infektion erkennen und
Ansteckungen verhindern.
Im Internet finden sich Berichte, in denen Nutzer:innen Flüssigkeiten
wie Cola auf die Testkassette gießen und der Test anscheinend zwei Linien
für einen coronapositiven Befund zeigt. Sind die Tests also Mist?
Auf den ersten Blick kann dieser Eindruck entstehen. Doch dass einige Tests
in so einem Fall ein vermeintlich positives Ergebnis zeigen, hat einen
anderen Grund: Die Cola zerstört die Pufferschicht in der Testkartusche.
Ein Test-Hersteller macht hier den niedrigen ph-Wert verantwortlich.
Dadurch werden bei manchen Tests beide Linien sichtbar und das Ergebnis
erscheint positiv. Die Gegenprobe lässt sich leicht selbst durchführen: Die
Cola abstreichen, Tupfer in der Pufferlösung schwenken, Lösung aufs
Testfeld tropfen und dann großes Hurra: Die Cola hat kein Corona.
Was ist also drin in der Pufferlösung?
„Die genaue Zusammensetzung ist Betriebsgeheimnis der Hersteller“, sagt
Knobloch. Die Lösungen sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich
komponiert, es gibt aber zumindest Anhaltspunkte. So gibt [3][Siemens
Healthineers], Gesundheitssparte des Unternehmens und selbst Entwickler von
Schnelltests, Kochsalzlösung als Hauptbestandteil an. Sie mache mehr als
99,7 Prozent der Pufferlösung aus. Dazu kommen laut dem [4][Hersteller
Roche] Konservierungsstoffe für die Haltbarkeit und ein Tensid. „Das Tensid
ist der Wirkstoff, der die mit dem Virus befallenen Zellen so auflöst, dass
die einzelnen Proteine vorliegen, die dann nachgewiesen werden“, erklärt
Knobloch.
Wie müssen die benutzten Tests entsorgt werden?
Abstrichtupfer, Testkartuschen, kleine Plastikbehälter mit Pufferlösung –
und das alles dann auch noch mal in Plastik verpackt – es ist in der Summe
schon einiges an Müll, das mit den Tests entsteht. Und das wirft die Frage
auf: In welchen Müll gehört das eigentlich alles? Weil nicht nur Haushalte
vor dieser Frage stehen, sondern zum Beispiel auch Schnelltestzentren und
Unternehmen, hat das [5][Umweltbundesamt] gemeinsam mit dem
Robert-Koch-Institut eine Handreichung für den Abfall herausgegeben, der im
Zusammenhang mit Covid-19 entsteht. Die gute Nachricht: „Im Test-Kit findet
keine Vermehrung der Viren statt. Es geht daher von den als Abfall
anfallenden gebrauchten Test-Kits kein Risiko aus, das einen besonderen
Umgang mit diesen Abfällen im Vergleich zu anderen nicht gefährlichen
medizinischen Abfällen erfordert.“ Sprich: Das Zeug kann in den Restmüll.
23 Jan 2022
## LINKS
[1] http://www.pei.de/antigentests
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript354.pdf
[3] https://www.clinitest.siemens-healthineers.com/de/rapid-antigen-safety-faq
[4] https://www.roche.de/patienten-betroffene/informationen-zu-krankheiten/covi…
[5] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/421/dokumente/hin…
## AUTOREN
Svenja Bergt
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