| # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Eine gewaltige Umstellung | |
| > Das Zeughauskino zeigt Exilfime aus den Niederlanden der 1930er Jahre, | |
| > das Filmmuseum präsentiert Potsdam als Drehort dieser Zeit auch online. | |
| Bild: „Het mysterie van de Mondscheinsonate“ (1935) | |
| Als die Nazis 1933 in Deutschland an die Macht kamen, mussten sich (vor | |
| allem) die jüdischen Filmschaffenden angesichts von Berufsverboten und der | |
| akuten Bedrohung für Leib und Leben Arbeit im Exil suchen: Die | |
| Filmindustrien Frankreichs, England und später der USA waren | |
| offensichtliche Ziele, aber auch ein kleines Land wie die Niederlande war | |
| in den 1930er Jahren eine Zeitlang ein sicherer Hafen. | |
| Bekannte Regisseure wie Richard Oswald, Max Ophüls, Detlef Sierck und Kurt | |
| Gerron drehten damals dort Filme, mussten sich dabei jedoch mit knappen | |
| Budgets und geringen Produktionsmitteln begnügen. Wer von der | |
| verschwenderisch ausgestatteten UFA kam und den dortigen Professionalismus | |
| gewöhnt war, für den bedeutete Filmarbeit in Holland eine gewaltige | |
| Umstellung. | |
| Die Reihe „Filmexil in den Niederlanden“ (8. 1.–10. 2.) [1][im | |
| Zeughauskino] geht dieser Episode des Exilkinos nach und eröffnet mit „Het | |
| mysterie van de Mondscheinsonate“ (1935) [2][einem von Kurt Gerron | |
| inszenierten Krimi], in dem zur Show eines Tänzers auch der Schuss mit | |
| einem Revolver gehört. Das geht – bildlich gesprochen – nach hinten los, | |
| und ein Kommissar muss die Ermittlungsarbeit aufnehmen (8. 1. & 11.1., 20 | |
| Uhr, Zeughauskino). | |
| Berlin im Film ist angesichts der schieren Masse von in der Hauptstadt | |
| gedrehten Filmen mittlerweile kaum mehr ein spannendes Thema. Potsdam im | |
| Film schon eher. Auch wenn UFA, DEFA und das heutige Studio Babelsberg dort | |
| beheimatet waren und sind, kam die Stadt selbst bislang nicht so häufig in | |
| den Filmen vor. | |
| Einen der ersten Filme, in dem das Schloss Sanssouci als touristischer | |
| Ausflugsort zu bewundern ist, zeigt das Filmmuseum Potsdam im Januar in der | |
| Reihe „[3][Drehort Potsdam]“. Die Komödie „Ich bei Tag und Du bei Nacht�… | |
| (1932) von Ludwig Berger gehört zu den [4][typischen Musikkomödien] aus der | |
| Zeit der großen Wirtschaftskrise, was sich sowohl in der | |
| Wir-lassen-uns-nicht-unterkriegen-Mentalität widerspiegelt wie auch im | |
| Ausgangspunkt der Geschichte. | |
| In einem jeweils halbtageweise vermieteten Zimmer schläft nachts die | |
| Maniküre Grete (Käthe von Nagy) und tags der Aushilfskellner Hans (Willy | |
| Fritsch). Angesichts dieser Situation verabscheuen sie sich, ohne sich | |
| überhaupt zu kennen, doch als sie sich unerkannt treffen, verlieben sie | |
| sich ineinander – und halten sich durch eine Verwechslung auch noch | |
| gegenseitig für reich. | |
| Der Film ironisiert den eigenen Eskapismus auf ausgesprochene amüsante | |
| Weise durch Ausschnitte einer im Kino nebenan laufenden Filmoperette, in | |
| der ein Liebespaar beständig im Prunk schwelgt, während die Comedian | |
| Harmonists etwas von Sekt, Kaviar, Auto und Schloss singen. | |
| Bei Hans und Grete ist das Auto dann ein Taxi und das Schloss die | |
| Touristen-Führung durch Sanssouci, aber das reicht ja allemal zum Glück. | |
| Weitere Filme zum Thema gibt es auf Kino2online zu sehen, dem | |
| [5][Online-Angebot des Filmmuseums], mit dem das Kinoprogramm ergänzt wird | |
| (8. 1., 19.30 Uhr, [6][Filmmuseum Potsdam]). | |
| Immer noch einer der lustigsten Pixar-Animationsfilme ist „Ratatouille“ | |
| (2007), die Geschichte um die Ratte Remy, die es in Paris mithilfe eines | |
| tollpatschigen Küchenjungen zum Spitzenkoch bringen will. Da zeichnet sich | |
| ein gewisses Konfliktpotenzial ab, dem Autor und Regisseur Brad Bird mit | |
| wunderbarer Unvorhersehbarkeit eine kaum enden wollende Fülle an Gags | |
| abgewinnt, die dem Film immer neue Wendungen geben. | |
| Und eines ist dabei ja mal von vornherein klar: Man muss seinem Traum | |
| folgen, das weiß auch der Geist des unlängst verstorbenen 5-Sterne-Kochs | |
| Auguste Gusteau, der Remy im Abwasserkanal erscheint und ihn in seinem | |
| Vorhaben bestätigt (7., 9. & 11. 1., 14.30 Uhr, [7][Kino Hackesche Höfe]). | |
| 6 Jan 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihe/filmexil-in-den-niederlanden/ | |
| [2] https://www.dhm.de/zeughauskino/vorfuehrung/het-mysterie-van-de-mondscheins… | |
| [3] https://www.filmmuseum-potsdam.de/Drehort-Potsdam.html | |
| [4] https://www.filmmuseum-potsdam.de/index.php?shortCutUrl=Ich-bei-Tag-und-Du-… | |
| [5] https://filmmuseum-potsdam.cinemalovers.de/de/home | |
| [6] https://filmmuseum-potsdam.cinemalovers.de/de/home | |
| [7] https://www.hoefekino.de/#today | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Penning | |
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