| # taz.de -- Horrorfilm „Candyman“ auf DVD: Sich die Legende wieder aneignen | |
| > Die Regisseurin Nia DaCosta hat den Horrorklassiker „Candyman“ neu | |
| > verfilmt. Ihre Fassung schreibt die Geschichte aus schwarzer Sicht um. | |
| Bild: Brianna Cartwright (Teyonah Parris) und Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen… | |
| Cabrini-Green ist ein Stadtviertel im Norden der Innenstadt von Chicago. | |
| Seit den vierziger Jahren waren dort erst Blöcke von Reihenhäusern, dann | |
| Hochhäuser mit mehr als 3.000 Wohneinheiten entstanden. Eines der typischen | |
| Housing Projects in den USA: hingestellt, die Stadt entzieht Schutz, Geld, | |
| Infrastruktur, [1][das Viertel wird sich selbst und sozial schwachen, | |
| vorwiegend schwarzen Bewohner*innen überlassen, die Kriminalitätsrate | |
| steigt]. | |
| Es wird eine der Zonen der Stadt, von dieser durch mulitples Versagen | |
| selbst geschaffen, in der Gangs dominieren, in die sich von außen so recht | |
| keiner mehr traut. | |
| Hier, in Cabrini-Green, siedelte Bernard Rose im Jahr 1992 seinen | |
| Horrorklassiker „Candyman“ an. Bei ihrer wissenschaftlichen Recherche nach | |
| „urban legends“ stößt eine junge weiße Forscherin, von Virginia Madsen | |
| gespielt, auf die Geschichte der titelgebenden schwarzen Horrorfigur. Sie | |
| geht, mit einer schwarzen Freundin, auf die Suche, Cabrini-Green ist der | |
| Ort, an dem der von Bienen umschwirrte mordende Candyman aufgetaucht ist. | |
| Das Interessante am zum Klassiker gewordenen Original sind weniger die | |
| nicht zu knappen Slasher-Szenen, die folgen; spannender ist die genaue | |
| Verortung des Horrors nicht nur im Gegenwarts-Chicago, aber auch in der | |
| US-amerikanischen Geschichte: Der als Mörder wiedergekehrte (und, wenn man | |
| beim Blick in den Spiegel fünf Mal nach ihm ruft, verlässlich | |
| wiederkehrende) Candyman ist, so geht die Legende, ein Produkt der | |
| US-Sklaverei-Historie, der er als gefolterter Mann mit abgehacktem Unterarm | |
| und in den Stumpf getriebenem Haken entstammt. | |
| Das Heikle daran hat Bernard Rose damals durchaus gesehen: Candyman ist der | |
| schwarze Mann, auf den alle möglichen, auch sexuellen Ängste projiziert | |
| werden. Der Film bringt dem schwebenden, schlitzenden Killer und seinen | |
| Motiven Sympathien entgegen, romantisiert tendenziell die Beziehung zur | |
| weißen Frau und gibt deren weißem Ehemann als toxischer Figur einiges an | |
| Gegengewicht. So entsteht ein wenig Ambivalenz, es ändert aber nichts | |
| daran, dass die Heldin als white saviouress ein schwarzes Kind aus den | |
| Flammen und Fängen des schwarzen Candyman rettet. | |
| ## Das Viertel ist gentrifiziert | |
| Es ist nur konsequent, dass [2][Jordan Peele („Get Out“)] als | |
| Drehbuchautor und Nia DaCosta als Regisseurin in ihrer dreißig Jahre | |
| später angesiedelten „Candyman“-Neuauflage dieses Kind zur Hauptfigur | |
| machen. Der Film ist ein Sequel, aber weniger Fortsetzung als Umschrift, | |
| der Versuch, sich die Legende vom bösen schwarzen Mann als von Schwarzen | |
| erzählte, geschriebene, gespielte Geschichte rückanzueignen. | |
| Schon der Vorspann stellt die Sache gezielt auf den Kopf. Gab es im | |
| Original noch den damals dank neuester Kameratechnik möglichen Überflug als | |
| Draufsicht auf die Stadt, bewegt sich die Kamera nun gespenstisch am Boden, | |
| Blicke aber nach oben, wo die Häuser nun buchstäblich an den Wolken | |
| kratzen. Der Ort wiederum: Cabrini-Green in Chicago. | |
| Die ursprünglichen Reihenhäuser stehen noch, das Viertel ist aber | |
| gentrifiziert, die Hochhäuser sind abgerissen, es ist heute eine gute, | |
| teure Wohnlage. Angesiedelt ist die Geschichte im Kunstbetrieb. Anthony | |
| McCoy (Yahya Abdul-Mateen II), das Baby von einst, ist nun Maler, | |
| wenngleich mit Mal-Blockade, die sich durch seine zusehends horrible | |
| Identifikation mit dem Candyman löst. | |
| Das Ergebnis der Umschrift ist auf vielen Ebenen smart, die Inszenierung | |
| ist slick, Blut fließt dennoch reichlich. So ganz kann sich der Film aber | |
| nicht aus seinem Dilemma befreien: Der schwarze Killer wird als | |
| allegorische Figur aufgewertet – es nimmt ihr etwas vom Schrecken, den das | |
| Genre dagegen unerbittlich gebietet. | |
| 6 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
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