# taz.de -- Umgestaltung der Oranienstraße: „Eine neue Vision dieser Straße… | |
> Die Oranienstraße soll bald tabu für AutofahrerInnen sein. Wie das? | |
> Fragen an Annika Gerold, Verkehrsstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg. | |
Bild: Hölle! (auch Oranienstraße genannt) | |
taz: Frau Gerold, die Oranienstraße in Kreuzberg ist seit Jahren als heißes | |
Pflaster bekannt, gerade FahrradfahrerInnen leben dort gefährlich. Jetzt | |
planen Sie, private Pkws ab 2024 aus der Straße zu verbannen. Von welchem | |
Abschnitt genau sprechen wir da und wann genau wird es soweit sein? | |
Annika Gerold: Es geht um den Abschnitt zwischen Skalitzer Straße und | |
Moritzplatz. Den genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen jetzt allerdings noch | |
nicht sagen, denn dazu müssen erst noch einige verkehrliche Gutachten | |
angefertigt werden. Da fährt ja auch der M29 der BVG, und der soll in jedem | |
Fall weiterhin dort fahren – das bedeutet aber auch eine gewisse | |
Komplexität. Was bereits hinter uns liegt, ist ein repräsentatives | |
Beteiligungsverfahren, bei dem Anwohnende und Gewerbetreibende ihre | |
Perspektiven einbringen konnten. Und es gibt eine politische Beschlusslage | |
zum Komplettumbau der Oranienstraße. | |
Wer soll denn künftig überhaupt noch dort unterwegs sein dürfen, vom | |
Radverkehr einmal abgesehen? | |
Außer der BVG in jedem Fall der Wirtschaftsverkehr. Für den wird sich die | |
Situation deutlich verbessern, heute parken schließlich viele | |
Lieferfahrzeuge in zweiter Reihe, was eine klare Verkehrsgefährdung | |
darstellt und für die FahrerInnen sicherlich auch nicht angenehm ist. | |
Anlieger sollen weiterhin etwa zum Be- und Entladen in die Straße einfahren | |
können, aber grundsätzlich soll dort kein motorisierter Individualverkehr | |
mehr stattfinden. | |
Das scheint mir ein grundsätzliches Problem zu sein: Am Ende haben dann | |
eben doch viele – zumindest vermeintlich – etwas vor Ort zu erledigen und | |
betrachten sich damit als Anlieger. Wie wollen Sie verhindern, dass das | |
Verbot massiv unterlaufen wird? | |
Wir wollen durchaus auch baulich etwas verändern, aber wie das ganz konkret | |
aussehen wird, da stehen wir noch am Anfang. Automatikpoller könnten eine | |
Möglichkeit sein. Bestimmte Zielgruppen sind ja auch relativ leicht zu | |
identifizieren, bei anderen dürfte es tatsächlich etwas schwieriger werden. | |
Mit welchen Maßnahmen wir darauf reagieren, wird Teil der verkehrlichen | |
Untersuchungen sein. | |
Sie streben eine Lösung für das Problem an, dass auf der Oranienstraße | |
einfach zu wenig Platz für alle Verkehrsarten ist. Gut, Parkplätze könnten | |
dann wegfallen, aber Lieferzonen muss es auch weiterhin geben. Gewinnt man | |
da wirklich Platz, etwa für einen Radstreifen? | |
Das ist aufgrund des Straßenquerschnitts in der Tat schwierig, vor allem | |
weil dort der Bus fährt. Deshalb wird es also darauf hinauslaufen, dass | |
kein separater, breiter Radstreifen angelegt werden kann. Die Straße soll | |
aber niveaugleich, also ohne Bordsteinkanten, umgestaltet werden, und | |
gerade deshalb ist es so wichtig, dass der private Kfz-Verkehr | |
weitestgehend herausgenommen wird. Sonst haben ja auch keine höhere | |
Sicherheit. | |
Dass auf der Oranienstraße massiv falsch geparkt wird, ist ein altes und | |
trotzdem weiterhin aktuelles Problem. Wäre es nicht längst an der Zeit, | |
schon jetzt den Kontrolldruck massiv zu erhöhen? | |
Falschparken ist ein großes Problem in der ganzen Stadt – und ja, in der | |
Oranienstraße ist es besonders augenfällig, wie häufig hier die Regeln | |
missachtet werden. Ich will deshalb hier auch ordnungsrechtlich einen | |
Schwerpunkt setzen. Aber das sind zwei verschiedene Themen. Es geht um eine | |
ganz neue Vision von dieser Straße, und da muss sich dringend etwas an | |
ihrer baulichen Gestaltung ändern. In diesem Punkt stimmten auch bei den | |
Befragungen alle Gruppen überein. | |
20 Jan 2022 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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