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# taz.de -- Autorin über den Wert des Miteinander: „Das Dorf ist eine Sehnsu…
> Die Schriftstellerin Asal Dardan wuchs nach der Flucht ihrer Eltern aus
> dem Iran in Köln, Bonn und Aberdeen auf. Ein Gespräch über die
> Heimatidee.
Bild: Guter Zusammenhalt: Dorfbewohner auf dem Weg zur Darts-WM in London im Ja…
taz: Frau Dardan, in einem Artikel haben Sie jüngst dafür geworben, dass
„wir uns alle einander ein Dorf sein sollten“ Was meinen Sie damit?
Asal Dardan: Als Autorin suche ich Visionen. Ich möchte mich und andere
dazu motivieren, dass wir aktiv handeln. Also: Solidarität nicht nur als
Lippenbekenntnis, sondern als tatsächliches Füreinanderdasein.
Was bedeutet das konkret?
Viele Leute fühlen sich gerade in der Pandemie sehr erschöpft. Sie sagen,
dass sie nicht mehr können. Man hört das häufig auf Social Media, dort
scheint der Raum dafür, um so was zugeben zu dürfen. Wir sind also in der
Gesellschaft weiter gekommen.
Inwiefern?
Man darf in der Öffentlichkeit über Probleme und Krisen sprechen. Aber
dürfen wir das auch leben, zum Beispiel bei der Arbeit? Wird dir da die
Zeit gelassen, um dir Hilfe zu holen? Ich glaube: Du darfst zwar sagen,
dass du am Ende bist – aber du musst eben trotzdem weitermachen. In der
Realität wird dann doch auf den Einzelnen gesetzt. Du musst dir selber
helfen. Auch wenn du es eigentlich nicht mehr kannst. Ich wünsche mir
deswegen ein Bewusstsein dafür, dass wir alleine nicht die Lösung finden
können – und es auch nicht müssen. Die Lösung muss eine kollektive sein.
Und was hat das Dorf damit zu tun?
Im Dorf ist man sich der Abhängigkeit voneinander bewusst. Mir geht es um
eine Haltung der Zugewandtheit, dass wir auf Augenhöhe miteinander umgehen.
Das Dorf ist eine Sehnsucht.
Sie selbst wohnen aber in einer Stadt.
Das stimmt. Aber ich versuche, mit meinen Nachbar:innen und meinem
Umfeld im Kontakt zu sein. Und klar, das Dorf ist am Ende eine Metapher,
eine idealisierte Vision. Aber ich glaube, dass wir diese Vision dringend
brauchen. Ich will kein Deutschland-Bashing betreiben, aber merke doch
einen Unterschied im Vergleich zu meinem Leben in Schweden. Ich nehme wahr,
wie rau wir hier im Alltag miteinander umgehen, wie abgetrennt wir
voneinander leben.
„Zivilisationen, Kulturen, Nationen entstehen nicht getrennt, sie werden
nur getrennt voneinander erzählt.“ Das schreiben Sie in dem Buch
[1][„Betrachtungen einer Barbarin“]. Fehlt uns für unser Dorf eine
gemeinsame Erzählung?
Ich frage mich das immer wieder, ob man überhaupt eine gemeinsame Erzählung
finden kann. In der alten Bundesrepublik, in der ich groß geworden bin,
habe ich mich nirgendwo wiedergefunden. Es ist ja oft eine
Mehrheitserzählung, die schnell Menschen ausschließt. Für mich ist deswegen
gar nicht so wichtig, dass es nur eine Erzählung gibt, an der wir uns
festhalten. Wir müssen doch immer wieder aushandeln, wer wir sind. Wir
brauchen den Dialog. Deswegen: Das Prozesshafte ist doch die eigentliche
Erzählung.
Apropos Dialog: In den „Betrachtungen“ nutzen Sie den Heimat-Begriff. Den
lehnen viele Menschen als völkisch verklärtes Konzept ab. Warum haben Sie
daran festgehalten?
Ich wollte herausfinden, was Heimat für mich bedeutet. Als Begriff und als
Gefühl. Meine Antwort lautet: Ich brauche die Heimat im klassischen Sinne
nicht. Gemeinschaftlichkeit und Solidarität kann für mich aber so etwas wie
Heimat stiften – das meine ich ja mit dem Dorf. Ich möchte mich beheimatet
fühlen, bei Menschen und in Beziehungen zu Menschen. Es geht um das Verb.
Ich will, dass wir uns gegenseitig erlauben, uns beheimatet zu fühlen.
10 Jan 2022
## LINKS
[1] /Gespraech-mit-Asal-Dardan/!vn5775862
## AUTOREN
Viorica Engelhardt
## TAGS
Heimat
Literatur
Hamburg
Dorf
Sozialer Zusammenhalt
IG
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