# taz.de -- Werbung für Parfum: Erotik und Ekstase | |
> Parfumwerbung will etwas verkaufen, das man nicht sehen kann. Also muss | |
> ein Versprechen her. Früher Eleganz, inzwischen geht es viel um nackte | |
> Haut. | |
Bild: Sex sells: Parfumwerbung in New York | |
Nackte Haut am Strand, Berührungen schöner Menschen, teure Ballkleider, ein | |
Hotelzimmer und die Lichter einer Großstadt: Das ist Parfumwerbung. | |
Ästhetisch, aufwendig und teuer. Und das aus gutem Grund, schließlich wirbt | |
man hier mit Bildern und Klängen für etwas, das man nicht sehen und hören | |
kann. Für einen Duft. Und der verkauft sich über Versprechungen. | |
Parfumwerbung ist also die Werbung schlechthin. Dennoch ist sie nur wenig | |
erforscht. Jürgen Döring widmete ihr 2005 eine Ausstellung im Museum für | |
Kunst und Gewerbe in Hamburg, „Parfum. Ästhetik und Verführung“, er kann | |
also durchaus als eine Art Experte gelten. | |
„Parfum ist erst mal nur eine durchsichtige, leicht ölige Flüssigkeit, die | |
in hochprozentigem Alkohol gelöst ist“, sagt er. „Es hat keine Farbe, keine | |
Form. Null Gestalt. Nichts.“ Aus einem optisch nichtssagenden Stoff muss | |
Sehnsucht werden nach Sinnlichkeit, Freiheit, Eleganz und Erotik. | |
Eine Herausforderung, aber auch grenzenlose kreative Freiheit, und das | |
beginnt schon beim Flakon: „Wenn man etwa für Zigaretten wirbt, so ist die | |
Schachtel schon durch ihre Form vorgegeben. Bei Parfum ist das anders.“ Das | |
Parfumfläschchen kann frei gestaltet werden, und das geht von extravagant | |
bis schlicht-klassisch. Es gibt Flakons in Form eines Torsos oder einer | |
Blüte. Und es gibt Klassiker, etwa Chanel „N°5“, dessen schlicht-kubischer | |
Flakon seit beinahe hundert Jahren unverändert ist. Auch dank der | |
Siebdruckserie des Künstlers Andy Warhol wurde das Parfum zu einer Ikone. | |
## Lasziv bis homoerotisch | |
Rund 33 Milliarden Dollar soll die Parfumindustrie 2020 eingenommen haben. | |
Doch von den rund hundert jedes Jahr neu eingeführten Parfumkreationen | |
schaffen nur wenige den Durchbruch. Werbung spielt in der Parfumindustrie | |
deshalb eine große Rolle. Schätzungen zufolge werden von ihr jährlich um | |
die 800 Millionen Doller von der Parfumindustrie allein in Marketing | |
gesteckt. | |
„Spätestens seit den 80er Jahren wird das Parfum vom Marketing gemacht und | |
nicht andersherum“, sagt Döring. Und dabei ist der Name entscheidend. Dior, | |
Dolce & Gabbana, [1][Yves Saint Laurent], sie alle kommen aus der | |
Haute-Couture-Branche. Ein Modelabel muss sich zunächst einen Namen gemacht | |
haben, um dann seinen ersten Duft herauszubringen. Und dieser muss dann | |
noch richtig vermarktet werden. | |
Dafür engagieren Werbeagenturen häufig renommierte große Namen. So drehte | |
Regisseur Ridley Scott nicht nur „Blade Runner“, sondern auch mehrere | |
[2][Werbespots für Chanel]; Wes Anderson nicht nur „Grand Budapest Hotel“, | |
sondern auch für Prada. Große Fotograf:innen schießen Bilder, Stars und | |
Models posieren vor der Kamera. Robert Pattinson, Natalie Portman, Johnny | |
Depp, Jake Gyllenhaal, sie alle gaben allein in den vergangenen Jahren für | |
große Marken ihr Gesicht. | |
Den wohl größten Bruch in der Geschichte der Parfumwerbung gab es um das | |
Jahr 1990. Aus Eleganz wurde Erotik. Eine Verbindung zwischen Düften, | |
Erotik und idealer Schönheit sah man dabei schon im antiken Griechenland: | |
So ziert ein nackter Eros, Gott der begehrlichen Liebe, ein Duftölgefäß | |
aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. | |
In der Parfumwerbung ist die Darstellung nackter Körper dennoch ziemlich | |
neu. Ein Pionier war Modedesigner Yves Saint Laurent. Er ließ sich 1971 von | |
dem französischen Fotografen Jeanloup Sieff komplett [3][unbekleidet | |
ablichten], um für sein erstes Parfum, „pour homme“, zu werben. Sieff war | |
es auch, der schließlich 1988 mit seiner Kampagne für Davidoff „Cool Water�… | |
eine neue Ära der Parfumwerbung einläutete. | |
Mit athletischen Männern und Nacktheit. Im darauffolgenden Jahr tat es ihm | |
der amerikanische Fotograf Bruce Weber gleich, für Calvin Kleins | |
„Obsession“. Auch er fotografierte nackte Models. Seine Bilder sind | |
inspiriert durch die Darstellung vollendeter Körper in antiken Statuen. | |
Lasziv bis homoerotisch griff er das Bild des Eros wieder auf. | |
Was heute normal wirkt, war eine Zäsur für die Parfumwerbung: Athletische | |
männliche Körper sollten Männer ansprechen, sich Parfum zu kaufen. Die | |
Strategie brach mit allen Traditionen der „eleganten Damen“. Und sie | |
funktionierte. | |
Parfumwerbung vermittelt also ein Gefühl und ein Schönheitsideal, das | |
mithilfe des entsprechenden Duftes angestrebt werden kann. Was schön und | |
sexuell ansprechend ist, wird von ihr mitbestimmt – und der Druck der | |
Konsument:innen, diesem Ideal zu entsprechen, steigt. Nicht selten wird | |
Parfumkampagnen Sexismus vorgeworfen: sie objektifizierten die Körper von | |
Männern und Frauen. Für die einen sind sie degradierend, für die anderen | |
hochwertige Aktfotografie. | |
## Erotik und Ekstase | |
Auch der Einsatz von Farben spielt eine große Rolle: Blau bedeutet Kühle | |
oder Frische, Rot verbinden wir mit Süße, aber auch Gefahr. Und dann gibt | |
es da noch das sehr präsente Motiv des Wassers. Regentropfen. Menschen, die | |
in einen Pool springen. Von einer Klippe ins Meer. Danach die | |
Zurschaustellung des perfekten Körpers am Strand, während die Wassertropfen | |
auf nackter Haut in der Sonne glitzern. | |
Erotik versetzt in Ekstase. Auch dieses Motiv wird oft aufgriffen. Von YSL | |
„Opium“ zum Beispiel oder Dior „Addict“. Schon die Benennung der Kreati… | |
besagt: Dieses Parfum wirkt wie eine Droge. Die Werbeplakate sorgen auch | |
hier für Aufsehen, Provokation, Beschwerde. Und natürlich dafür, dass der | |
Name des Produktes im Kopf bleibt. | |
Ist letztlich das Versprechen, das durch Werbung gemacht wird, mehr wert | |
als der Duft selbst? In Jürgen Dörings Ausstellung gab es auch einen | |
„Duftraum“, in dem Maschinen die verschiedenen Parfumdüfte wiedergaben. Und | |
dieser Raum sei tatsächlich ein einziger Flop gewesen, sagt Döring. Es | |
seien die Werbung, die Plakate, die Fotografie und die Flakons gewesen, | |
derentwegen die Menschen in seine Ausstellung gekommen waren. Und nicht die | |
Düfte. | |
Denn wozu etwas riechen, wenn man es auch sehen kann? Parfumwerbung gibt | |
uns genau das. Sie verherrliche Konsum und Luxus, kritisieren | |
Antikapitalist:innen. Stimmt. Doch selbst sie müssen zugeben, dass sie | |
auch ästhetischer und künstlerischer Ausdruck ist. Und sich für einen | |
Moment fühlen wie das Cool-Water-Model am Strand oder Sophie Dahl auf | |
„Opium“ – wer möchte das insgeheim denn nicht? | |
27 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Musee-Yves-Saint-Laurent-in-Paris/!5555150 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=b82iyeti9jg | |
[3] https://www.vogue.co.uk/article/nude-yves-saint-laurent-photograph-to-be-au… | |
## AUTOREN | |
Ruth Lang Fuentes | |
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