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# taz.de -- Die Wahrheit: Was Insekten so denken
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (136): Menschen mit
> Schweißfußgeruch liebt die Malariamücke besonders.
Bild: Zum Glück nicht im Bild: Schweißfuß
Die Malariamücke leidet auch unter Malaria – wenn sie sich infiziert hat.
Der Übeltäter ist ein Einzeller namens „Plasmodium“. Ihre Krankheit wird
vom Menschen auf die Mücke übertragen, in dessen Blut sich Plasmodien
befinden. Diese vermehren sich zunächst ungeschlechtlich durch Teilung. Im
nächsten Stadium differenzieren sie sich in männliche und weibliche
Erreger, die sich im Magen der Mücke paaren, nachdem diese Blut von einem
an Malaria erkrankten Menschen gesaugt hat.
Nach etwa zwei Wochen wandern sie, „Sporozoiten“ genannt, in die
Speicheldrüsen der Mücke. Sollte diese den nächsten Menschen stechen,
„injiziert sie ihren Speichel, damit das angesaugte Blut nicht gerinnt und
am Ende ihre Mundwerkzeuge verstopft. Mit dem Speichel dringen die
Sporozoiten ins Blut des Menschen vor, wandern in die Leber, und der
Kreislauf beginnt von vorn“, schreibt der schwedische Neuroethologe Bill
Hansson, Direktor des Jenaer Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie,
in seinem Buch über die „Welt des Geruchssinns: Die Nase vorn“ (2021).
Malariamücken leben vorwiegend von Blütennektar, den sie mit ihren Fühlern,
an denen Geruchsrezeptoren sitzen, riechen. Aber um ihre Eier entwickeln zu
können, muss das Weibchen mindestens einmal Blut getrunken haben. Dabei
helfen ihr weitere Geruchsrezeptoren an der Spitze ihrer kleinen
Stechrüssels, um ein geeignetes Blutgefäß zu finden. Die weibliche
Malariamücke ist in gewisser Weise auf Menschen „spezialisiert“.
Solche mit Schweißfüßen (deren Geruch mit Limburger Käse nahezu identisch
ist) riecht sie besonders leicht (wie wir auch, obwohl unser Riechorgan
längst nicht so empfindlich ist wie das der Malariamücke). Neben diesem
Geruch von „alten Socken“ bevorzugt sie Diabetiker, schwangere Frauen und
biertrinkende Männer, wenn sie die Wahl hat.
## Sie drängen zum Kontakt
Dabei spielen aber auch die Plasmodien mit, denn sie „sorgen“ dafür, dass
infizierte Menschen für die Mücke (Griechisch: Anopheles) ganz besonders
attraktiv sind – und steigern damit die „Übertragungswahrscheinlichkeit“.
Ähnlich wie Bakterien (als Einzeller ohne Zellkern) Tuberkulose und
Syphilis übertragen: Sie drängen die Infizierten zu engem Kontakt mit
anderen Menschen, um sich auszubreiten. Diese Fähigkeit, ihren Wirt auf zum
Teil komplizierteste Weise zu steuern, wurde auch bei einigen anderen
Parasitenarten nachgewiesen.
Falls die weibliche Malariamücke sich beim Blutsaugen infiziert hat,
versucht sie ihr Leiden zu lindern, wenn man so sagen darf, indem sie bei
der Nektarsuche zu Blüten wechselt, die laut Bill Hansson „Substanzen mit
malariahemmender Wirkung enthalten“.
„Das winzige Mückenweibchen steht vor einer gewaltigen Aufgabe“, meint er.
Nicht nur muss es im Krankheitsfall bestimmte Blütenpflanzen anfliegen, die
es nicht mal wie Linné mit Namen kennt, es muss auch „Vögeln, Fledermäusen
und den Händen von Menschen“ ausweichen – und unbemerkt auf der Haut von
Letzteren landen. Und dann noch „einen geeigneten Platz für die Eiablage“
finden.
## Pollen kennen sie
Wie bei Mücken üblich, ist das meist ein Sumpf oder Moor, manchmal tut es
auch eine offene Zisterne, zur Not sogar eine Pfütze. Dabei muss das
Weibchen in etwa einschätzen können, ob die Wasserlache so lange nicht
austrocknet, bis die Larven aus seinen befruchteten Eiern sich verpuppt
haben, geschlüpft und am Besten schon auf dem Weg zu nektarreichen Blüten
sind, die sie dann wie nebenbei mit deren Pollen befruchten. Den
Pollen-Geruch (vor allem den von Mais und Zuckerrohr) haben sie bereits als
Larven im Wasser kennengelernt.
Der Jenaer Geruchsforscher und seine weit gestreuten Kollegen befassten
sich gründlich und in allen möglichen Details mit der Malariamücke. Hansson
schreibt: „Wenn ich die Geruchsökologie von Insekten erforsche, bemühe ich
mich immer, wie ein Insekt zu denken – mich an seine Stelle zu versetzen.“
Er ist dabei jedoch nicht frei von Anthropozentrik. So, wenn er meint, dass
das Leben der Malariamücke „kurz“ ist und „optimiert“ werden muss. Kur…
es nur im Vergleich zum relativ langlebigen Menschen, und es zu
„optimieren“ liegt der Mücke fern.
## Mussolini hat es vorgemacht
Eher hat der Mensch den „Kampf gegen Malaria“ optimiert – wobei er es
zumeist auf die Mücke abgesehen hat. Zum einen, indem er Sümpfe und Moore
in Wiesen und Äcker umwandelte (Benito Mussolini zum Beispiel ließ mit
einem Riesenaufwand die „malariaverseuchten“ Pontinischen Sümpfe
Norditaliens trockenlegen). In Deutschland befürchtet man bereits, dass mit
der Renaturierung der letzten Moore auch die Malariamücke im Zuge der
Klimaerwärmung zurückkehrt.
Zum anderen bekämpfte man sie, indem verschiedene Gifte gegen sie und
„ihrer“ Plasmodien eingesetzt wurden. Robert Koch tat das erfolgreich mit
Chinin bei der Bevölkerung auf der kroatischen Adriainsel Brioni. Heute
bekommen an Malaria Erkrankte meist Chloroquin oder Hydroxychloroquin
verschrieben, das anfangs auch gegen die Coronapandemie eingesetzt wurde.
Vielerorts nimmt man Duftfallen und mit Insektiziden bestrichene
Moskitonetze. Die von den darunter liegenden Menschen angelockten Mücken
sterben am vergifteten Netz.
In Burma hat man lange Zeit Erdöl auf Gewässer gekippt, so dass die
Mückenlarven erstickten. Später wurde großflächig mit DDT gearbeitet, das
jedoch alle möglichen Lebewesen in Mitleidenschaft zog – und deswegen
schließlich verboten wurde.
## Gestörte Gene
Neuerdings wird wie beim Impfstoff gegen Corona mit gentechnischen Mitteln
gearbeitet, zum Beispiel um die Malariamücke genetisch so zu verändern,
dass ihre Nachkommen unfruchtbar sind – und sie als Art ausstirbt. „Wir
setzen direkt bei der Fruchtbarkeit an: Wir stören Gene, die die Weibchen
brauchen, um sich fortzupflanzen“, erklärte ein Forscher vom Imperial
College London.
Diese Weibchen müssen – als fliegende GMOs (genmanipulierte Organismen) –
in Freilandversuchen getestet werden, wogegen es Einwände gibt. Vor allem
in den afrikanischen Staaten, wo man die Krankheitsbekämpfungsmaßnahmen der
weißen Kolonialherren gegen die Tsetsefliege noch in schrecklicher
Erinnerung hat.
Kommt noch hinzu, dass die Plasmodien, sollten alle Malariamücken wirklich
ausgerottet sein, sich eine andere Mückenart suchen. Sie sind bereits
dabei.
In China hat man – schon vor langer Zeit – etwas Besseres gefunden: eine
Beifuß-Pflanzenart, die auch bei uns an jedem Bahndamm wächst. Man bekommt
sie inzwischen als Medikament „Artemisinin“, aber es soll als ganze Pflanze
im Tee besser wirken.
Die Malariaforscher an der London School of Hygiene and Tropical Medicine
haben mittels Gentechnik etwas kreiert, das nicht nur uns, sondern auch der
Malariamücke helfen soll: „Wir haben Mücken entwickelt, die Malaria nicht
mehr übertragen können. Ihr Immunsystem tötet die Malariaparasiten ab“,
erklärte einer der Wissenschaftler im Deutschlandfunk. Sie schleusten Gene
in die Mücken ein, die aus Mäusen stammen und Resistenz gegen die
Plasmodien entwickeln, an denen jährlich laut Weltgesundheitsorganisation
(WHO) 500.000 Menschen sterben.
20 Dec 2021
## AUTOREN
Helmut Höge
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