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# taz.de -- Roter Teppich für die „Bild“: Boulevard der Albträume
> „Hürriyet“ und „Bild“-Zeitung haben viel gemein. Hinter beiden Medien
> stehen mächtige, quasi staatstragende Konzerne. Ein wahrer Abgrund.
Bild: Habeck und Baerbock auf dem roten Teppich zur „Bild“-Spendengala „E…
2006 hat sich die Springer-Verlagsgruppe beim größten türkischen
Medienkonzern Doğan (dazu gehört als Flaggschiff die [1][Boulevardzeitung
Hürriyet]) eingekauft. 2018 wurden die Anteile wieder abgestoßen. Zuvor
waren die Hauptanteile des Medienhauses an den Unternehmer Demirören
verkauft worden.
Einen Mann, den Staatspräsident Erdoğan telefonisch ausschimpfen und zum
Weinen bringen konnte. Die Springer-AG kassierte seinerzeit eine
dreistellige Millionensumme. Und ihr Vorstandsvorsitzender [2][Mathias
Döpfner] war traurig: „Ein außerordentlich bedauernswertes Zeichen für den
Journalismus in der Türkei“. Heute setzen die gleichgeschalteten Medien um,
was die Herrschenden einfordern: Die Wirklichkeit verzerren,
Inflationsraten und Covid-Infektionszahlen senken, Bösewichte konstruieren
und die Herrschenden rühmen.
Als Gegenleistung gibt es gewaltige staatliche Bauaufträge (Autobahnen,
Flughäfen, Brücken) und die Chefredakteure dürfen sogar im türkischen
Präsidentenjet mitfliegen.
## Die guten, bösen alten Zeiten
In den guten alten Zeiten, als sich der Axel-Springer-Konzern bei der
Doğan-Gruppe einkaufte – war Hürriyet noch Staat im Staat, um dessen Gunst
Politiker buhlten. Das Boulevardblatt brachte Minister zu Fall und stürzte
türkische Regierungen. Doch der Umstand, dass Hürriyet nicht unmittelbarer
Erfüllungsgehilfe der Regierung war, machte sie nicht besser.
Journalistisches Ethos wurde mit Füßen getreten, Menschenleben wurden
zerstört.
Die Ermordung des kurdischen Menschenrechtsaktivisten und Vorsitzenden der
Anwaltskammer der Stadt Diyarbakir, Tahir Elçi, folgte unmittelbar der
Medienkampange in Hürriyet, in welcher Elçi als „Terrorist“ denunziert
wurde.
An die guten alten Zeiten der Hürriyet erinnerte ich mich anlässlich der
Spendengala „Ein Herz für Kinder“, die Bild veranstaltet. Nicht der
Vergangenheit von Bild wegen. Nicht wegen den Schüssen auf Rudi Dutschke,
nachdem dieser im Boulevard als Bösewicht dargestellt wurde, nicht wegen
der Hetzkampagne gegen den Schriftsteller Heinrich Böll wegen seines Romans
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.
## Gewehr bei Fuß
Die Politik stand damals Gewehr bei Fuß, um die Bild-Zeitung zu verteidigen
und Böll in die Nähe des Terrorismus zu rücken. So tat es auch der
CDU-Politiker und spätere Bundespräsident Karl Carstens. Er hatte Bölls
Roman zwar nicht gelesen, wusste aber, dass das Boulevardblatt gegen
terroristische Schriftsteller verteidigt werden müsse.
Auch der Investigativjournalist [3][Günter Wallraff], der das Binnenleben
von Bild aufdeckte und dafür verleumdet wurde, ist Vergangenheit.
Vergangenheit ist auch CDU-Politiker Christian Wulff, der vom
Bundespräsidentenamt zurücktreten musste, weil er es sich mit der
Bild-Zeitung verscherzt hatte.
Nein, wir sind in der Gegenwart. Und aktuell sind Olaf Scholz, Annalena
Baerbock und Robert Habeck gemeinsam mit Mathias Döpfner bei einer Charity.
Jener Döpfner, von dem wir wissen, dass er den Zustand des Journalismus in
der Türkei bedauert und auch große Gefahren für Deutschland sieht. Just am
Tag der Gala wurden in Bild die Wissenschaftler:Innen Dirk Brokmann,
Viola Priesemann und Michael Meyer-Hermann als „Die Lockdown-Macher“ (so
die Schlagzeile auf Seite eins) denunziert.
## Fackelzug von Coronaleugnern
Nur wenige Stunden zuvor war ein Fackelzug von Coronaleugnern vor dem Haus
von Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) aufmarschiert.
Scholz, Baerbock und Habeck dürfen auf dem roten Teppich gute Miene zum
bösen Spiel machen.
Dabei ist Deutschland ein ordentliches Land. Es gibt sogar ein
DZI-Gütesiegel für Spenden, welches belegt, dass eine Organisation mit den
ihr anvertrauten Geldern sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht. Hunderte
Spendensammler:Innen sind bei DZI gelistet. Große, wie DRK und Unicef
Deutschland, und kleine, wie „die Kinderhilfe Kaliningrad“. Aber, die
Charity „Ein Herz für Kinder“ von Bild fehlt in der Liste. Das Blatt habe
auf Nachfragen nie reagiert, erklärt die DZI.*
Doch wer Kanzler und Minister:Innen in seiner Nähe hat, die sich auf
den roten Teppich der Bild-Zeitung freuen, der braucht sich um so etwas
nicht zu scheren.
*Dazu möchte Christian Senft, Director Communications der Bild-Gruppe
ergänzen: „Bild hilft e.V. „Ein Herz für Kinder“ ist Mitglied des Deuts…
Spendenrates und hat das Siegel Geprüfte Transparenz“. Dem kommen wir
hiermit gerne nach.
13 Dec 2021
## LINKS
[1] /Medienlandschaft-in-der-Tuerkei/!5773898
[2] /Corona-Hofreiter-und-Doepfner/!5814777
[3] /Guenter-Wallraff/!t5024821
## AUTOREN
Ömer Erzeren
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