| # taz.de -- Nach einer Zeichnung ohne Absender: Brief an die Leserinnen und Les… | |
| > Ein anonymer Brief, darin eine Zeichnung. Eine wundervolle Anerkennung. | |
| > Höchste Zeit für ein Dankeschön an die Unsichtbaren. | |
| Bild: „Alle großen Leute sind einmal Kinder gewesen“, heißt in dem Buch �… | |
| Alle großen Leute sind einmal Kinder gewesen. Aber wenige erinnern sich | |
| daran – aus dem Kleinen Prinzen.“ Anfang dieses Jahres erreichten mich | |
| diese Zeilen. Ein Leser oder eine Leserin hatte sie für mich an die | |
| taz-Redaktion geschickt, ohne Absender. Ein längliches, dickes Stück | |
| Papier, darauf eine Zeichnung: Sie zeigt eine Kugel, vielleicht eine | |
| Weltkugel, darauf Stühle, die aufeinandergetürmt eine wacklige Leiter | |
| ergeben. Ganz oben auf ihnen sitzt eine Person mit einem Zylinder auf einem | |
| Einrad. Sie streckt ihre Hände zum Mond aus. Auf der Rückseite der | |
| Zeichnung stehen die Worte des kleinen Prinzen und die Zeilen „wieder | |
| einmal sage ich Danke für die Kolumne am 22. 1. aus der taz“. | |
| Ich hatte in dieser Kolumne über Kinder geschrieben und den Zauber, den sie | |
| in einem Park fanden. Es war ein Text, bei dem ich selbst noch vorsichtig | |
| in das neue Jahr wie auf eine zerbrechliche Eisfläche getreten war. Ich | |
| wusste nicht, welches Echo ich damit erziele. Und dann erreichte mich | |
| später dieses Kunstwerk dazu: ein Geschenk. Ich hätte mich gern bedankt. | |
| Doch es gab keinen Namen, keine Adresse, keine Möglichkeit. Da hatte mir | |
| einfach jemand eine Freude machen wollen. | |
| Seitdem hängt die Zeichnung bei mir an der Wand: Der Mensch, der sich eine | |
| Leiter zum Mond baut. Das Bild hat etwas Zerbrechliches und Leichtes, etwas | |
| Zuversichtliches, Traumwandlerisches. Und vielleicht auch gerade, weil es | |
| ohne Absender kam, ohne einen Namen, weil es sich an keine Bedingung | |
| knüpfte, keinen Dank, kein Lob erwartete, hat es so einen Zauber. Es ist | |
| auch ein Symbol für den Zauber, der uns umgibt. Dass Menschen an uns | |
| denken, uns in vielerlei Hinsicht lesen, von denen wir oft nicht wissen. | |
| Vielleicht wollte auch die Person, die mir schrieb, ihre Wirkung im | |
| Unsichtbaren lassen. Doch ich möchte auf diesem Weg ein Danke wagen. Einmal | |
| soll mein Text nicht nur von Menschen erzählen, die ich treffe, sondern von | |
| den Menschen, die ich in meinen Gedanken treffe. Beim Schreiben: die | |
| Leserinnen und Leser. Ich freue mich jedes Mal, wenn Menschen mir zu meinen | |
| Texten schreiben. Es ist, als würde mir jemand zurückwinken. Es gibt | |
| Energie, von denen zu erfahren, die meine Texte lesen. Sie erzählen wie | |
| eine sichtbare Spitze von den anderen, von denen ich nicht weiß. | |
| ## Überraschende Begegnungen | |
| Es ist schon einige Zeit her, da war ich in den Bücherhallen. Ich hatte | |
| recht viel Gepäck dabei und meinen Fahrradhelm in der Hand. Ich trat zu der | |
| Mitarbeiterin am Tresen, weil ich Fragen zu einer Ausleihe hatte. Sie las | |
| meinen Namen auf dem Benutzerausweis, stutzte und meinte, dass ich den | |
| gleichen Namen wie jemand hätte. „Wie wer denn?“, fragte ich. „Eine Auto… | |
| aus der taz.“ Sie schaute mich an. „Aber das ist jemand anderes.“ Sie | |
| schien so sicher, dass ich das nicht sein könne, dass ich fast überlegte, | |
| ihr diese Vorstellung von mir zu lassen. | |
| Aber ich wollte auch ehrlich sein: „Doch, das bin ich“, sagte ich. Die | |
| Mitarbeiterin war erstaunt. Sie hatte in diesem Moment nicht mit mir als | |
| Autorin gerechnet, und ich nicht mit ihr als Leserin. Und wenn Sie das | |
| jetzt lesen sollten, hoffe ich, dass es für Sie in Ordnung ist, dass ich | |
| davon schreibe. | |
| Die Begegnung machte mir wieder bewusst, dass wir oft mit unserem Wirken | |
| eine Wirkung haben, die uns nicht immer deutlich ist. Das gilt nicht nur | |
| für die, die schreiben, auch für die, die unterrichten oder die Züge | |
| fahren, die spazieren gehen, die lesen. Oft wirken wir damit im | |
| Unsichtbaren mehr als wir denken. | |
| Mein Dank geht auch an die stillen Leserinnen und Leser. Dafür, dass Sie an | |
| den Texten teilnehmen, sich damit auseinandersetzen, dem Text durch ihr | |
| Lesen Leben geben. Auch das prägt den Text mit. Dieses Empfangen. Ich | |
| möchte mich vor der Weihnachtspause für dieses Jahr bedanken. Für das, | |
| womit sie durch Ihr Lesen einen Unterschied gemacht haben. Und für das, was | |
| ich von Ihnen gelesen habe. „Alle großen Leute sind einmal Kinder gewesen. | |
| Aber wenige erinnern sich daran.“ | |
| 31 Dec 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Christa Pfafferott | |
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