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# taz.de -- Polizisten demonstrieren in Spanien: Gemeinsam für Repression
> Rechte Polizeigewerkschaften und Parteien machen gegen eine Reform des
> „Knebelgesetzes“ mobil. Das Gesetz greift stark in die Meinungsfreiheit
> ein.
Bild: Die Demo führte auch am spanischen Parlament vorbei
Madrid taz | Zehntausende Polizisten gingen am Samstagmittag in Madrid auf
die Straße. Der Anlass: Die Linkskoalition aus Sozialisten PSOE) und
[1][den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP)] unter Ministerpräsident
Pedro Sánchez wollen zusammen mit der konservativen Baskischen
Nationalistischen Partei (PNV) das Gesetz für Bürgersicherheit reformieren.
Das [2][2015 von der damaligen Regierung der rechten Partido Popular (PP)
unter Mariano Rajoy eingeführte Gesetz], das im Volksmund „Knebelgesetz“
genannt wird, schränkt unter anderem die Meinungs- und
Demonstrationsfreiheit stark ein.
„Die Reform ist ein Gesetz des Hasses auf die Polizei“, erklärt Miguel
Gómez, Sprecher der größten Polizeigewerkschaft Jusapol, auf deren
Initiative die Demonstration zurückgeht. 40 Gewerkschaften aus den Reihen
der paramilitärischen Guardia Civil, der spanischen Nationalpolizei, der
baskischen Ertzaintza sowie verschiedener Gemeindepolizeien riefen
gemeinsam mit Jusapol zum Marsch „Nein zu einem unsicheren Spanien“ bis vor
das Innenministerium in Madrid auf. Politiker der konservativen PP, der
rechtsliberalen Ciudadanos sowie [3][der rechtsextremen VOX] schlossen sich
an. Die Regierung sprach von 20.000 Teilnehmern, die Veranstalter von
150.000.
Die Teilnehmer forderten den Rücktritt von Innenminster Fernando
Grande-Marlaska. Was sie an der Gesetzesreform am meisten stört, ist, dass
es künftig wieder erlaubt sein soll, Polizisten bei der Arbeit zu filmen
und zu fotografieren. Das wurde ab 2015 mit einem Bußgeld von bis zu
mehreren Tausend Euro belegt. Filmen und Fotografieren sorge für
„Unsicherheit“. Die Beamten und deren Familien könnten identifiziert werden
und Repressalien erleiden, werfen die Polizeigewerkschaften der Regierung
vor.
Außerdem dürfen künftig Menschen, die sich nicht ausweisen, maximal zwei
statt bisher sechs Stunden festgehalten werden. Die Polizei muss sie
anschließend wieder dort absetzen, wo sie mitgenommen wurden. „Wir sind
doch kein Taxi“, beschweren sich die Polizeigewerkschaften.
Die Reform hält fest, dass die Polizei Mittel einsetzen muss, die so wenig
wie möglich verletzend sind. Sie würden „unbewaffnet in den Krieg
geschickt“, heißt es von Seiten der Gewerkschaften.
## Spontaner Protest wieder möglich
Wurde 2015 – inmitten der Eurokrise – der Aufruf zu nicht angemeldeten
Demonstrationen unter hohe Geldstrafen gestellt, darf künftig wieder
spontan protestiert werden, solange alles friedlich bleibt. Dies sei „eine
Zeitbombe“ beschweren sich die Polizeigewerkschaften. Die Einsatzkräfte
könnten sich nicht genügend auf ihre Einsätze vorbereiten.
Zudem beschweren sich die Gewerkschaften über „Rechtsunsicherheit“. Der
Grund: Die sogenannte „Wahrheitsvermutung“ für Polizisten gilt künftig
nicht mehr per se sondern nur noch dann, wenn die Aussagen „logisch“
klingen. Dieser Tage wird gegen vier Journalisten ermittelt. Der eine wurde
zusammengeknüppelt, die anderen drei bezeugten dies vor Gericht. Trotz
Fotos und Videos wird ihnen Falschaussage vorgeworfen, aufgrund von
Behauptungen seitens der Polizei.
Und zu guter Letzt passt das neue Gesetz die Bußgelder an das Einkommen der
Bestraften an. „Es können Mafias entstehen, die als Speerspitze Leute ohne
Einkommen benutzen, die auf den Demonstrationen Straftaten verüben und mit
einem minimalen Bußgeld davonkommen“, erklärt der Sprecher der Gewerkschaft
Jupol, Pablo Pérez.
„Wir sind hier, gegen ein von der Regierung zusammen mit den Feinden
Spaniens verabschiedetes Gesetz. Wir gehen zusammen mit denen auf die
Straße, die Spanien so dienen, wie sonst niemand“, erklärte VOX-Chef
Santiago Absacal. „Es sind die besten, professionellsten, beliebtesten und
modernsten Polizisten weltweit“, schwärmt [4][die Madrider
Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso (PP)]. Und Ciudadanos-Vorsitzende
Inés Arrimadas beteuert „mehr auf Seiten der Polizei als auf der Seite der
Verbrecher“ zu stehen. Die Regierung hingegen würde die Sicherheitskräfte
„kriminalisieren“.
Am 14. Dezember, wenn das spanische Parlament die Sitzungen zur Reform des
„Knebelgesetzes“ aufnimmt, wollen die Polizisten vor dem Parlamentsgebäude
demonstrieren.
27 Nov 2021
## LINKS
[1] /Ambitionen-des-Podemos-Chefs-in-Spanien/!5754788
[2] /Knebelgesetz-in-Spanien/!5224331
[3] /Rechtsextreme-in-Spanien/!5656172
[4] /Wahlen-in-Spanien/!5770252
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
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