Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Filz kehrt zurück: Von Genosse zu Genosse
> Hamburgs Finanzsenator hat einen Millionenauftrag ohne Ausschreibung an
> einen Parteifreund vergeben. Das erinnert an alte Zeiten.
Bild: Was ist rot, verfilzt und bringt heimlich Geschenke? Ist doch klar: die S…
Hamburg taz | Kann es sein, dass sich die Hamburger SPD schon wieder zu
fest im Sattel wähnt? Dafür spricht jedenfalls die Direktvergabe eines
9-Millionen-Euro-Auftrages der Hamburger Finanzbehörde, also des
Finanzministeriums im Stadtstaat, an einen Parteifreund von Finanzsenator
Andreas Dressel.
Der Hamburger SPD-Filz, also die enge Verflechtung der Sozialdemokraten mit
Gesellschaft und Verwaltung, ist ein gängiger Topos. Bis Ende der 90er
Jahre hatte das so weit überhandgenommen, dass sich ein ganzes Buch darüber
schreiben ließ. Die Mauscheleien trugen dazu bei, dass die SPD 2001 die
Macht abgeben musste und erst 2011 wieder die Regierung stellte.
Auch der aktuelle Fall sieht verdächtig nach Filz aus. Laut einem Bericht
der Hamburger Morgenpost geht es um Geld für einen „Fintech Accelerator“,
der junge, innovative Unternehmen aus der Finanzbranche nach Hamburg
locken, hier entwickeln und mit lokalen Unternehmen vernetzen soll.
Anfang Juli gab der Senat bekannt, dass er den Auftrag dafür ohne
vorherige Ausschreibung an die Firma NMA.VC vergeben habe. Dabei liegen
die nominell 9 Millionen Euro Auftragswert weit über dem Schwellenwert für
die Vergabe von Dienstaufträgen von 214.000 Euro. Allerdings sei nur eine
Million für das Management vorgesehen, versichert die Behörde, der Rest zur
Kofinanzierung eines Investitionstopfs.
Chef jener Firma, die den Zuschlag erhalten hat, ist Nico Lumma, Mitgründer
des netzpolitischen [1][Vereins D64 (D64 – Zentrum für digitalen
Fortschritt)] und Vorstandsmitglied der medien- und netzpolitischen
Kommission des SPD-Parteivorstandes. Mit seiner Firma betreibt er bereits
einen Accelerator für neue Medien in Hamburg.
„Das hat einen ganz faden Beigeschmack“, findet CDU-Fraktionschef Dennis
Thering. Bei ihm hätten sich zahlreiche fintech-affine Mitbewerber
gemeldet, die leer ausgegangen seien. „Dass man sich wenigstens in Hamburg
umgeguckt hätte, wäre das Mindeste gewesen“, findet Thering.
Die Finanzbehörde rechtfertigte sich damit, „ein regelkonformes
Vergabeverfahren inklusive Markterkundung“ durchgeführt zu haben. Lummas
Firma habe die Vergabekriterien am besten erfüllt. Gefragt waren gute
Kontakte in die Start-up-Szene, Erfahrung beim Betreiben eines Accelerators
und finanztechnisches Fachwissen.
Die Auswahlentscheidung wurde im Amtsblatt der EU veröffentlicht.
Mitbewerber hätten zehn Tage Zeit gehabt, Einspruch einzulegen. „Dazu muss
man wissen, dass es eine Ausschreibung gab“, [2][kritisiert Thering]. „Wir
haben das auch nur zufällig gefunden.“
## War die Eile gerechtfertigt?
Wer in der Hamburger Finanzwelt unterwegs sei, habe von dem Accelerator
wissen müssen, findet die Finanzbehörde. Er sei Teil des Masterplans
Finanzwirtschaft, den die Bürgerschaft im Frühjahr beim Senat in Auftrag
gegeben habe. Am Verfahren seien Akteure wie die Hamburger Sparkasse, die
Handelskammer und die Initiative Finanzplatz Hamburg beteiligt gewesen.
Finanzsenator Dressel rechtfertigt die Eile: Um einen Wachstumsimpuls zur
Überwindung der Coronakrise zu setzen, habe das Projekt schnell starten
müssen. „Wären wir anders vorgegangen, hätte die Gefahr bestanden, dass die
Mittel verfallen.“
Trotzdem fordert die Linke in der Bürgerschaft mehr Transparenz. Der
Verzicht auf Ausschreibungen habe in letzter Zeit überhandgenommen. „Das
öffnet Interessenkonflikten bis hin zur Korruption Tür und Tor“, warnte der
Abgeordnete David Stoop. Und CDU-Fraktionschef Thering nutzt die
Gelegenheit zur Attacke: „Der rote Filz war nie weg“, behauptet er.
17 Dec 2021
## LINKS
[1] https://d-64.org/
[2] https://cduhamburg.de/thering-ein-neues-kapitel-roter-filz-spd-finanzsenato…
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
SPD
Hamburg
Ausschreibung
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Stadtland
Hamburg
Impfung
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Daimler in Berlin: Aus dem Weg, ihr Gestrigen
Das historische Daimler-Werk im verschlafenen Marienfelde wird nun doch
nicht zugemacht. Der Konzern setzt auf Elektromotoren.
Kritik an Hamburger Finanzsenator: Auftragsvergabe an Parteifreund
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel hat einen Auftrag direkt an einen
Parteifreund vergeben – angeblich aus Zeitdruck. Die Linke bezweifelt das.
Fragwürdige Abrechnungen beim DRK: Weiterer Skandal im Impfzentrum
Kochsalz verimpft, Stunden falsch abgerechnet, Lohn einbehalten: Das
Impfzentrum im friesländischen Schortens stolpert von einem Vorwurf zum
nächsten.
Wahlsieger SPD: Wieder oben
Die Leidenszeit der Sozialdemokratie ist beendet. Olaf Scholz dringt auf
das Kanzleramt – auf Samtpfötchen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.