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# taz.de -- Sexualität für Fortgeschrittene: Die Fuckability jenseits der 50
> Wenn mit Fickbarkeit Penetrierbarkeit gemeint ist, dann findet jeder Topf
> seinen Kochlöffel. Aber begehrt werden nicht alle Körper gleichermaßen.
Bild: „‚Loch ist Loch‘, sprach der Koch und fickte das Suppenhuhn.“
Wenn [1][ich an anderer Stelle behauptet habe], ich würde seit 25 Jahren zu
derselben Friseurin gehen, so ist das technisch nicht ganz korrekt.
Manchmal lasse ich auch ihre Mitarbeiter:innen ran, weil ich bei ihnen
früher einen Termin bekomme. Das bedeutet, dass Jessi und ich uns immer mal
wieder mehrere Monate in ihrem Salon zwar sehen, aber nicht sprechen und so
wie jetzt bei meinem nächsten Termin am Tag vor dem Heiligen Abend einiges
nachzuholen haben.
Was ist nicht alles passiert in den vergangenen fünf Monaten! Eine neue
Regierung, Omikron, Klimakonferenz, steigende Meeres-, sinkende
Östrogenspiegel, der erste Sex nach der Trennung – und Harry und Meghan
haben sich auch noch nicht mit den Rest-Royals versöhnt. Bleiben sie etwa
Weihnachten in Kalifornien, fragt die Gala völlig zu Recht, und Jessi und
ich werden das alles diskutieren.
Da bleibt kaum Zeit, ausführlich über unsere Fuckability zu sprechen.
Fucka-was? Die Älteren unter uns verstehen zwar meistens die englischen
Begriffe, mit denen diese freshe Jugend so sweet um sich wirft, aber
selten, warum sie das tut. Jetzt also Fuckability, auf Deutsch Fickbarkeit,
was nicht zufällig an Haltbarkeit erinnert.
Ich bin kürzlich über dieses Wort gestolpert, in einem Blogbeitrag, in dem
die Autorin heterosexuelle Frauen jenseits der 50 dazu aufforderte, nicht
über ihre schwindende Fuckability zu jammern, weil sich immer irgendein
Mann finde, dem schlaffe Haut und Speckröllchen nichts ausmachten.
## Die Natur, diese kurzsichtige Nuss
Dazu fällt mir meine schwer erziehbare Schulfreundin E. ein, deren
Repertoire an schlüpfrigen Sprüchen selbst das meines Großvaters bei weitem
übertraf. Einer davon lautete „'Loch ist Loch’, sagte der Koch und fickte
das Suppenhuhn“, und ich fürchte, dass „fickbar“ genau das meint, also
irgendwie penetrierbar.
An dieser Stelle komme ich ins Grübeln, nicht so sehr, weil ich mich über
den Zustand der vaginalen Schleimhaut jenseits der Wechseljahre informiert
habe. Die hat ihre Funktion dann ja erledigt, weil die Natur, diese
kurzsichtige Nuss, nicht die medizinischen und technischen Fortschritte
vorausgesehen hat, die vielen noch gute 30 bis 40 Jahre Bonuszeit nach Ende
der fruchtbaren Phase bescheren. Ihr war weder klar, dass wir mit
ausgetrockneter Scheidenschleimhaut Geschlechtsverkehr wie ein Teenager
haben, noch dass wir mit 80 joggen und ohne Fernglas ins Kino gehen wollen.
Deshalb haben sich bis vor wenigen hundert Jahren die meisten weiblich
gelesenen Personen wahrscheinlich nicht den Kopf darüber zerbrochen, ob sie
nach ihrem 50. Geburtstag noch fickbar sein würden, weil sie zu diesem
Zeitpunkt nach zehn Schwangerschaften ihren biologischen Auftrag erfüllt
hatten und kurz davor waren, den Löffel abzugeben.
Aber vielleicht haben sie sich gefragt, ob sie noch lovable sind und
touchable, ob es noch jemanden gibt, der sich für sie interessiert, sie
küssen und berühren möchte, und ich vermute, dass sie das mit 15 schon
genau so umgetrieben hat wie mit 55. Oder vielleicht sogar noch mehr, weil
sie da noch nicht wussten, dass ihr Glück nicht von der Zuneigung männlich
gelesener Personen abhängt und wie viel sie sich selbst davon schenken
können, und damit meine ich nicht nur Orgasmen.
Wenn man Fuckability so versteht, also nicht im Sinne des Suppenhuhns, dann
ist die eingangs zitierte Behauptung, ein jeder Topf finde seinen
Kochlöffel, fragwürdig, weil manche Körper gegenüber anderen bevorzugt
würden, wie Alexandra Schwartz in einem Artikel über [2][feministische
Sex-Theorien im New Yorker] schreibt.
Darin stehen so viele kluge Sätze, dass ich jetzt irgendeinen aussuche und
mit diesem ende ich auch, ganz ohne Pointe, weil die sind, wie mein Kollege
findet, heteronormativ, und das kommt nicht gut, erst recht nicht in der
taz. Und das sagt Schwartz: „[3][Sexuelles Begehren kann ein kreativer Akt
sein], eine Einladung, sich etwas vorzustellen.“ Kann.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] /Leben-als-weiblich-gelesene-Person/!5809086
[2] https://www.newyorker.com/magazine/2021/10/04/were-shaped-by-our-sexual-des…
[3] /Regeln-der-Intimitaet-beim-Dating/!5812237
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Frauen
Sex
Kolumne Beim Friseur
Wechseljahre
Altern
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Wechseljahre
Kolumne Beim Friseur
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Geburt
Kolumne Hot und hysterisch
Gender
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