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# taz.de -- Regeln der Intimität beim Dating: Knutschen muss genug sein dürfen
> Wenn es beim Daten zum Kuss kommt, ist die Erwartung auf anschließenden
> Sex oft groß. Warum wir deshalb ein Recht auf Intimität ohne „Ziel“
> brauchen.
Bild: Immer schön, aber auch oft mit Erwartungen verbunden: Knutschen
Wenn man einem Date körperlich nahkommt, kuschelt oder sich küsst, scheint
man in unserer Gesellschaft einen unsichtbaren Vertrag zu unterschreiben,
in dem steht: Wir werden Sex haben. [1][Wenn wir cis und hetero sind], mit
Penetration.
Ich glaube, uns entgeht durch diese Vertragsklausel viel. Ich kuschel und
knutsche sehr gerne. Oft ist es einfach genau das, was ich gerade mit einer
bestimmten Person machen möchte. Solche schönen Momente halten aber meist
nicht lange.
Eher früher als später wird der Punkt kommen, an dem ich sagen muss: Bis
hierhin und nicht weiter. Anstatt einfach da weiterzumachen, wo es sich
gerade für beide noch gut angefühlt hat, wird die andere Person
insistieren, oder den zärtlichen Moment ganz beenden. So habe ich es oft
erlebt, mit verschiedenen Geschlechtern.
Eine Zeit lang versuchte ich, schon auf dem gemeinsamen Weg nach Hause klar
zu sagen, was ich möchte und was nicht. Der Vorteil war, dass ich mich
etwas entspannen konnte. Ich hatte nicht mehr die ganze Zeit im Hinterkopf:
Gleich kommt der Moment, an dem du der anderen Person eröffnen musst, dass
du den Vertrag brechen wirst. Der Erfolg dieser Methode war trotzdem mäßig.
Es hielt [2][meine Dates selten davon ab], zu insistieren oder aufzustehen
mit einem Spruch wie: „Ich gehe mal nach Hause, kalt duschen.“
## Kuscheln als neue Genusskategorie
Bei meinem letzten Tinder-Profil-Update schrieb ich in meine Bio: „Ich
möchte wahrscheinlich keinen Sex, melde dich gern, wenn du Lust auf
kuscheln oder knutschen hast.“ Jetzt kann nichts mehr schiefgehen, dachte
ich. Die Leute wissen von Anfang an, woran sie sind, und ich werde nur noch
mit denjenigen matchen, die das gleiche Bedürfnis haben. Toll, diese
Dating-Apps.
Die zwei Dates, die ich daraufhin hatte, verliefen ähnlich. Wir küssten uns
an einem schönen Ort an einem warmen Spätsommerabend. Doch statt das zu
genießen, verschwendeten beide die gemeinsame Zeit damit zu insistieren,
ich solle mit zu ihnen nach Hause kommen, obwohl ich längst nein gesagt
hatte. Aus einem schönen Knutsch-Date war wieder nichts geworden.
Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder sie hatten den einzigen Satz im Profil
nicht gelesen. Oder ihn nicht ernst genommen. Das konnte entweder [3][an
der verbreiteten Rape-Culture-Denkweise] liegen, ein Mann müsse eine Frau
„rumkriegen“, egal was sie dazu sagt. Oder der unsichtbare Vertrag hatte in
den Augen dieser Dates mehr Gewicht, als mein gut sichtbares geschriebenes
und gesprochenes Wort.
Ich wünsche mir, dass Kuscheln im Vertragswerk der Intimität als eigene
Genusskategorie anerkannt wird und nicht bloß als ein Schritt auf dem Weg
zu einem Ziel. Überhaupt wünsche ich mir mehr intime Begegnungen ohne Ziel.
Am besten auch ohne Vertrag. Die einzige Klausel müsste sein, dass alle
Beteiligten zu jeder Zeit einverstanden sind.
16 Nov 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Lou Zucker
## TAGS
Kolumne Hot und hysterisch
Sexualisierte Gewalt
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