# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (1): Kennenlernen vor der Kasse | |
> Normalerweise spricht man die Menschen in der Supermarktschlange ja nicht | |
> einfach so an. Oder doch? Über eine unverhoffte Begegnung. | |
Bild: Ein eigentlich recht anonymer Ort: die Supermarktkasse | |
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer. | |
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
[1][Adventskalender 2021] von solchen Türchen, die die Anonymität einen | |
Moment vergessen lassen. | |
Die Warteschlange, die sich zur späten Feierabendzeit vor den Kassen meines | |
kleinen Edeka am Kottbusser Damm bildet, wird durch [2][die | |
pandemiebedingten Abstände], die hier die meisten einhalten, noch länger. | |
Und noch anonymer: Gesichter verbergen sich fast vollständig hinter Masken, | |
die meisten Wartenden beschäftigen sich mit ihren Handys. | |
Der junge Schwarze Mann jedoch, der vor mir wartet, dreht sich plötzlich | |
um, seine Augen über der Maske strahlen mich an. Höflich stellt er sich | |
vor: „Guten Abend! Mein Name ist Johannes. Wie geht es Ihnen?“, fragt er | |
mich. Verblüfft nenne ich ihm ebenfalls meinen Namen und antworte: „Danke, | |
gut, und Ihnen?“ | |
Erschöpft sei er, sagt Johannes, und erzählt mir, dass er LKW-Fahrer und | |
gerade mit einer Ladung aus Süddeutschland angekommen ist. Nun werde sein | |
Wagen geleert und „reine gemacht“, wie er sagt. Morgen werde er dann eine | |
neue Ladung aufnehmen und zurückfahren; jetzt kaufe er ein, um mit einem | |
Kollegen zu kochen, bei dem er auch die Nacht verbringen werde. „Und was | |
machen Sie beruflich?“, fragt Johannes mich. | |
Wir sind unterdessen bis zur Kasse vorgerückt, wo die Kassiererin neugierig | |
zuhört und sich dann erfreut am Gespräch beteiligt, als sie mich sagen | |
hört, dass ich bei einer Zeitung beschäftigt sei. Sie habe schon immer | |
gerne wissen wollen, wo ich arbeite, sagt sie – aber man könne Kund*innen | |
doch nicht einfach so etwas fragen…Oh, doch! | |
Sie sei übrigens eigentlich Sozialpädagogin, erzählt sie, „halbtags!“, d… | |
Arbeit an der Kasse sei nur ein Zweitjob: „Man muss ja leben, wissen Sie!“ | |
Ja, ich weiß. Johannes verabschiedet sich unterdessen und bedankt sich | |
freundlich für das Gespräch: „Ich habe heute noch nicht mit so vielen | |
Menschen gesprochen, so direkt“, sagt er. | |
Und ich gehe mit dem schönen Gefühl nach Hause, statt einer anonymen | |
Warteschlange voller gestresster Unbekannter gerade zu einer spontanen | |
kleinen Kennlernparty eingeladen gewesen zu sein. | |
1 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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