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# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (4): Telepathie am Tresen
> In der Bergmannstraße einfach mal schnell ein Baguette kaufen? Schwierig.
> Aber solange man noch warme Unterhosen findet, ist alles nicht so
> schlimm.
Bild: Warm macht glücklich: Eine lange Unterhose
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer,
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem
Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment
vergessen lassen.
Bergmannstraße in Kreuzberg, an einem Wochentag nach der Arbeit. Eigentlich
will ich nur schnell ein Baguette für die Abendsuppe [1][aus der
Markthalle] schnappen, also schnell rein und raus und ab nach Hause.
Doch es kommt anders: Anscheinend haben sich mehrere Busladungen Touristen
in die Markthalle verlaufen. Grüppchen, wohin mensch blickt und an den
Ständen lange Schlangen, na super. Eigentlich sonst schön und menschlich.
Ältere Kaliber, die rumstehen und sich durchprobieren und bewundernd übers
Essen reden, so dass man fast die Pandemie und den knurrenden Magen und die
Herbstdepriphase (grau, grau, grau!) und Armut und Not und überhaupt
vergessen könnte.
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und bin tief genervt. Warum kann man nicht
einfach mal schnell was besorgen, in der Bergmannstraße, ohne Eventkochen
und Probiernüsschen? Ich beglückwünsche mich für meine fatale Wahl, es
ausgerechnet hier zu versuchen, ergattere schließlich doch noch das
Baguette und flüchte.
## Kaffe-plus-Schnickschnack
Doch halt: Am Ausgang lockt die Kaffee-plus-Schnickschnack-Filiale mit
Thermounterwäsche, die ich eigentlich schon letzten Winter kaufen wollte.
Warm ist gut, warm kann ich jetzt brauchen, auch wenn die Verheißung nur in
Form einer gleich gekauften „Lange-Männer“ ums Eck kommt. Mit meiner
Packung stehe ich aber dann doch an der Kasse und will schnell zahlen.
Ein wahnsinnig gut gelaunter Mitarbeiter und seine Kollegin füllen gerade
Kaffee auf, es riecht herrlich, auch durch [2][die FFP2-Maske]. Ich
bezahle, und der Verkäufer fragt, ob ich noch einen Kaffee möchte. Oh,
denke ich, wie aufmerksam. Aber eigentlich nicht, ich will nur schnell nach
Hause. „Ach, kommen Sie, ich gebe ihnen einen aus“, sagt er und lacht.
„Ok“, sage ich, und lache mit. „Wie schnell haben Sie denn mitgekriegt,
dass ich einen Kaffee gebraucht habe?“, frage ich ihn. „Ach“, sagt er, �…
sieht man manchmal halt.“
„Telepathie!“, sagt seine Kollegin und schiebt mir noch den Deckel zu.
„Danke“, sage ich, „wirklich, dass sie so fröhlich sind.“-„Ja, muss …
sagt der Verkäufer und lacht nochmal laut auf. Den Kaffee schenke ich
[3][dem Obdachlosen vor der Markthalle] und gehe mit dem fröhlichen Lachen
im Ohr nach Hause.
4 Dec 2021
## LINKS
[1] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5762388
[2] /Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5819770
[3] /Verdraengung-von-Obdachlosen/!5814013
## AUTOREN
Ebru Tasdemir
## TAGS
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Advent
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