# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (5): Ich radle mit meiner Laterne | |
> Die Falte auf der Stirn unserer Autorin wird immer tiefer, als sie sich | |
> mit dem Rad durch den Berufsverkehr quält. Zum Glück hat ein Kind gute | |
> Laune. | |
Bild: Wie ging nochmal gleich dieses schöne Laternenlied? | |
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, | |
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
Adventskalender 2021 von solchen Türchen, die die Anonymität einen Moment | |
vergessen lassen. | |
An der Prenzlauer Allee ist der Weg zur Arbeit durch den Berufsverkehr kein | |
Spaß. Auch nicht mit dem Fahrrad, und auch nicht zu Zeiten, in denen viele | |
im Homeoffice arbeiten. Denn die Radspur ist eng und teils holprig, | |
irgendwie zwischen Straßenkante und Baumbeete an den Gehweg gequetscht. | |
Viele drängen eilig in die gleiche Richtung. Überholen fühlt sich | |
gefährlich an, überholt werden auch. | |
Wer Glück hat, landet in einem Pulk von Radfahrer*innen mit ähnlichem | |
Grundtempo. Wer Pech hat, klebt bald hinter eine*r langsameren Fahrer*in | |
– oder sammelt ein paar drängelige Raser*innen hinter sich. | |
Dazu bläst kalt der Wind. Die Finger frieren, denn die Handschuhe sind | |
nass. Während also die Augen weiter ständig Überholabstände und | |
Wegbeschaffenheit checken, gräbt sich dazwischen voller Grimm immer tiefer | |
eine Furche in die Stirn. Die Mundwinkel sinken mit jedem genervten | |
Klingeln. Der Alexanderplatz, wo dann endlich alle mehr Platz haben, ist | |
noch nicht mal in Sicht. | |
## Im grauen Morgendunst | |
Doch nicht alle lassen sich von Hektik und Stress anstecken. So kommt mir | |
am Mittwoch ein auf dem Fußweg fahrendes, vielleicht vierjähriges Mädchen | |
entgegen. Fröhlich eiert sie mit ihrem kleinen Fahrrad hinter ihrem Vater | |
her. Der Laternenumzug muss wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen | |
haben, denn durch den ganzen grauen Morgendunst singt sie aus voller Kehle: | |
„Ich geh mit meiner Laterne“. | |
Und sie ist nicht die einzige: Am Donnerstag, auf dem Nachhauseweg, komme | |
ich an einer ihr Fahrrad schiebenden Frau vorbei. Ihr Kind hat sich lässig | |
auf den Sattel gefläzt. Es baumelt mit einem Bein und trällert fröhlich vor | |
sich hin. | |
Der Himmel ist grau, schon die ganze Woche, typisch Berliner Winter. Ich | |
ertappe mich, wie ich summe. Wie ging das Laternenlied nochmal weiter? | |
„Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus“, fällt mir noch ein. Und, besonders | |
schön, der Refrain: rabimmel, rabammel, rabumm. | |
5 Dec 2021 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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