| # taz.de -- Die Wahrheit: Enthaltsam am Schragenkreuz | |
| > Der Nationalheilige der Schotten hat das nasskalte Land zu Lebzeiten nie | |
| > besucht. Nicht einmal das Golfspiel hat der eigensinnige Andrew erfunden. | |
| Bild: Kaum fährt der Zug los, steht die Frage im Raum: „Was haben wir zum Es… | |
| Jedes Land braucht einen Nationalheiligen. Und sei es nur, um einen | |
| zusätzlichen Feiertag zu erhaschen. Morgen ist der Ehrentag des | |
| schottischen Nationalheiligen St. Andrew. Aber er gehört Schottland nicht | |
| exklusiv: Er kümmert sich auch um Russland, Rumänien, Spanien und | |
| Griechenland. | |
| In Deutschland gedenkt man Andreas vor allem an 16.391 Bahnübergängen, an | |
| denen das Andreaskreuz steht, das nach dem Apostel benannt ist. | |
| Schutzpatron der Deutschen ist hingegen der Erzengel Michael. Er ist unter | |
| anderem für Soldaten, Radiomechaniker und Bankangestellte zuständig und | |
| hält böse Geister von Kapellen in Obergeschossen von Türmen fern. Das ist | |
| ein ziemlich öder Job, aber auch Andreas' Leben als Schutzpatron ist nicht | |
| sonderlich aufregend. Er ist für Fischer, Fischhändler, Seilmacher und | |
| Wasserträger zuständig. Dagegen ist Nikolaus von Myra beneidenswert: Er | |
| schützt Schnapsbrenner und Weinhändler. | |
| Andreas ist der ältere Bruder von St. Peter. Die beiden Brüder fischten am | |
| See Genezareth, als Jesus vorbeikam, ihnen weismachte, dass er der Messias | |
| sei und sie zu „Menschenfischern“ machte – also zu einer Art Vertreter in | |
| Sachen Glauben. Nach Schottland kam Andreas erst posthum. Im 4. Jahrhundert | |
| hatte der griechische Mönch Regulus angeblich die Eingebung, ein paar | |
| Knochen von Andreas ans „Ende der Welt“ zu schaffen und dort einen Schrein | |
| zu bauen. Also packte er neben Reiseproviant ein paar Knochen in seinen | |
| Koffer und landete damit an der Stelle, wo heute die Stadt St. Andrews in | |
| der schottischen Grafschaft Fife steht. Allerdings kommen die Pilger | |
| heutzutage nicht wegen Andreas nach St. Andrews, sondern wegen des | |
| Golfplatzes, denn diese Sportart soll dort erfunden worden sein. | |
| So mancher Schotte glaubt, Andreas sei der erste Golfspieler gewesen. Dabei | |
| war er bloß der erste Apostel, hat aber auch einige Bauernregeln zu | |
| verantworten, zum Beispiel: „Andreas, hell und klar, verspricht ein gutes | |
| Jahr“. Aber in Schottland ist es selten hell und klar. Deshalb gilt wohl | |
| eher: „Andreas’ Schnee tut Korn und Weizen weh.“ | |
| Apropos wehtun: Warum ist Andreas eigentlich am Kreuz gelandet? Er soll | |
| Maximilla, die Frau des Statthalters Ägeas, von einer Krankheit geheilt, | |
| sie zum Christentum bekehrt und zu sexueller Enthaltsamkeit überredet | |
| haben. Wegen des letzten Punkts war Ägeas so erzürnt, dass er Andreas | |
| auspeitschen und ans Kreuz binden ließ. Der suchte sich das Schragenkreuz | |
| aus, weil er es anmaßend gefunden hätte, am selben Kreuztyp wie Jesus zu | |
| sterben. Bevor es aber am 30. November so weit war, predigte er noch zwei | |
| Tage lang vom Kreuz herab. | |
| Hätte Andrew, der missratene Sohn der Queen, sich an die Empfehlung seines | |
| Namensgebers gehalten und sexuell enthaltsam gelebt, wäre den Windsors viel | |
| erspart geblieben. Noch mehr wäre ihnen erspart geblieben, wenn sich | |
| Elisabeth daran gehalten hätte. | |
| 29 Nov 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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