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# taz.de -- Impfkampagne von Unternehmen: Hört auf den Schokoriegel!
> 150 Großunternehmen werben mit Werbeslogans für die Impfung gegen
> Covid-19. Doch statt um gesellschaftliche Verantwortung geht es eher um
> PR.
Bild: Der Lebensmittelhersteller Nestlé wirbt mit seinem Schokoriegel KitKat
Zugegeben, besonders gut hat es nicht geklappt mit der deutschen
Impfkampagne. Erst gab es zu wenig Impfstoff, dann [1][schloss man die
Impfzentren] zu früh und mit den Booster-Impfungen begann man hierzulande
auch eher spät.
Gut, dass es den deutschen Handel gibt, der in seinem steten Bemühen um das
gesamtgesellschaftliche Wohl eine [2][breite Kampagne gestartet] hat, um
Impfunwillige doch noch davon zu überzeugen, sich den potenziell
lebensrettenden Moderna- oder Biontech-Schutz verabreichen zu lassen. Und
die Zeit drängt, gerade erst ist die hochansteckende Omikron-Variante in
Deutschland angekommen – und auch danach ist das griechische Alphabet noch
ziemlich lang.
Mehr als 150 Unternehmen haben sich zusammengeschlossen und ihre
Werbesprüche angepasst, um für die Impfung zu werben. Darunter sind
Schenkelklopfer-Slogans wie „Alle elf Minuten ist uns zu wenig, wenn’s ums
Impfen geht.“ ([3][Partnerbörse Parship]) oder „Wir impfen uns den Weg
frei“ (Volksbanken/Raiffeisenbanken). Der Lebensmittelhersteller Nestlé
wirbt mit seinem Schokoriegel KitKat („Have a break, have a pieks“).
Die Logik ist nachvollziehbar. Denn wer sich bisher weder von den Appellen
der meisten Politiker, Virologen, Journalisten, Pfleger und dem eigenen
Hausarzt hat überzeugen lassen, hört sicher auf den Rat eines Schokoriegels
oder einer Parfümerie („Come impf and find out“). Nur Zyniker würden hint…
der Kampagne eine geschickte Marketingstrategie ansonsten teils wenig
gemeinnützig agierender Großkonzerne sehen. Sarkasmus: aus.
## Kostenlose PR abstauben
„Wir sind die Guten“ – das ist die Message. Gerade Konzernen wie Nestlé,
die seit Jahrzehnten für ihr Geschäftsgebaren kritisiert werden, freuen
sich bestimmt darüber, auch einmal Positivschlagzeilen verbuchen zu können.
Das Unternehmen sieht sich seit Jahren mit Vorwürfen unter anderem der
[4][Ausbeutung von Kindern auf Kakaoplantagen] oder dem [5][Abpumpen von
Grundwasser] konfrontiert.
Es ist nicht das erste Mal, dass Unternehmen versuchen, mit ihrem meist
alibihaften Kampf für die gute Sache ein wenig kostenlose PR abzustauben.
In den USA zeigen sich [6][Großbanken wie Goldman Sachs] und
[7][Rüstungsunternehmen wie Raytheon] gern demonstrativ bei
LGBT-Pride-Paraden.
Im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste (BLM) im vergangenen Jahr
solidarisierten sich viele Großunternehmen mit der Bewegung und gelobten,
auch die eigenen Geschäftsmodelle auf Rassismus zu überprüfen.
Wie die Financial Times [8][recherchierte], umfassten die Maßnahmen aber in
vielen Fällen nur Anti-Bias-Trainings, während eine Lohnangleichung für die
in vielen Fällen überwiegend schwarze Belegschaft nur in wenigen Fällen
stattfand – die wäre allerdings auch etwas teurer gewesen.
## Jede Injektion zählt
Zudem sprangen viele Unternehmen erst auf die BLM-Welle auf, nachdem die
Bewegung gesellschaftlich breiter akzeptiert wurde. Vermutlich sagte die
Kosten-Nutzen-Rechnung der PR-Abteilung, dass man [9][nach dem Tod George
Floyds] nun eher mit einer Pro-BLM-Message Geld verdienen könne als mit
Neutralität. Ähnlich dürfte es nun mit der Impfkampagne in Deutschland
laufen.
Würden Burger King, Nestlé und Co auch so offensiv für die Impfung werben,
wenn 50 Prozent der Bevölkerung Impfgegner wären und man mit dem Bekenntnis
zu Moderna und Co nicht nur eine vergleichsweise kleine Kundengruppe vor
den Kopf stieße?
Seis drum. Im Kampf gegen die Pandemie zählt jede Injektion. Und wenn es
den Segen einer Waschmittelmarke oder eines Autoherstellers braucht, um
Menschen vom Sinn des Unterfangens zu überzeugen, bleibt nur „Freude am
Impfen“ (BMW) zu wünschen.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5804962
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/impfkampagne-150-marken-sl…
[3] https://twitter.com/Parship_de/status/1468189208217100296
[4] /Studie-ueber-Kakaoproduktion/!5720299
[5] /Umweltzerstoerung-in-den-USA/!5483694
[6] https://www.goldmansachs.com/careers/blog/posts/pridemonth2018.html
[7] https://www.youtube.com/watch?v=GQys_jZZ7Rc
[8] https://www.ft.com/content/67e79b20-bc41-4cb0-992f-a28e3eaa5695?accessToken…
[9] /Urteil-im-Mordfall-George-Floyd/!5783164
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
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Michigan
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