Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verdrängung von Obdachlosen: Wo Berlin am kältesten ist
> Eine Jury hat Berlins obdachlosenfeindlichsten Ort gekürt: Es ist der
> Hansaplatz, an dem Anwohner*innen und Gewerbetreibende mit
> verdrängen.
Bild: Auf diesem Lüftungsschacht am Alex konnte man mal sitzen und liegen. Eis…
BERLIN taz | Wer obdachlos ist, ist oft ganz besonders auf
gesellschaftliche Solidarität angewiesen. Im Umkehrschluss ist es teils
eben auch die Stadtgesellschaft, die obdachlose Menschen aus dem
öffentlichen Raum ausschließt. Darauf hinzuweisen war ein Anliegen der
Jury, die am Sonntagabend im dortigen [1][Grips Theater] den [2][Hansaplatz
zu Berlins obdachlosenfeindlichstem Ort] gekürt und mit der [3][„Goldenen
Keule“] ausgezeichnet hat. „Hier sind Privat- und Geschäftsleute die
treibende Kraft, von denen die Verdrängung ausgeht“, sagte ein Mitglied aus
der mehrheitlich mit Obdachlosen besetzten Jury. „Die Bevölkerung ringsum
spielt eine Rolle. Das wollten wir zeigen.“
Am Hansaplatz bekam etwa ein öffentlicher Parkplatz unter freiem Himmel
eine Höhenbegrenzung von 1,80 Metern. Sodass just der Kleinlaster der
Berliner Obdachlosenhilfe dort nicht mehr halten durfte. Die
Obdachlosenhilfe hatte dort regelmäßig Essen ausgegeben. Das wiederum war
Anwohner*innen und Gewerbetreibenden ein Dorn im Auge, erzählt Andreas
Abel vom Verein Gangway, der Straßensozialarbeit betreibt und den Preis
initiiert hatte. Außerdem gilt am Hansaplatz eine Platzordnung, die es
verbietet, dort zu betteln, zu nächtigen oder Alkohol zu konsumieren,
anfänglich war auch der „unnötige Aufenthalt“ verboten.
„All das sind Dinge, die das Bezirksamt im öffentlichen Raum gar nicht
verbieten kann, weil es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt“, sagte
Abel. Nach Protesten wurde die Platzordnung angepasst und gelte nun nur
noch im privaten Raum auf dem Platz. Allerdings sei nicht zu erkennen, wo
der überhaupt anfange.
Früher sei der U-Bahnhof mal ein Kältebahnhof gewesen, Obdachlose konnten
dort übernachten. Auf Betreiben des Bürgervereins Hansaviertel sei er zum
Kulturbahnhof erklärt worden und seitdem nachts geschlossen. Betreiber von
Supermärkten hätten überlegt, nichts mehr an Obdachlose zu verkaufen und
von ihnen kein Pfand mehr anzunehmen. Über Nacht verschwanden zwei
denkmalgeschützte Parkbänke. „Dazu hat der sonst so engagierte Bürgerverein
kein Wort verloren“, sagte Abel.
## Keine Sitzplätze am Ostbahnhof
Es war ein knappes Rennen, verdient hätten die „Goldene Keule“ laut Jury
auch die anderen Orte. An zweiter Stelle der Ostbahnhof, an dem Bahn und
Bezirk nach und nach fast alle Sitzgelegenheiten abgebaut hätten. „Drei
Sitzplätze gibt es dort noch – in einem Buswartehäuschen“, berichtete
Daniela Radlbeck vom Paritätischen. Ein anderes Wartehäuschen sei abgebaut
worden, eine begrenzende Mauer durch Betonpoller mit spitzen Metalldächern
ersetzt. Bänke waren verschwunden.
Nominiert war [4][außerdem der Alexanderplatz], an dem ebenfalls der
Aufenthalt verhindert oder ungemütlich gemacht werde und ein seit mehr als
zehn Jahren leerstehendes ehemalige Schwesternwohnheim [5][in der
Habersaathstraße]. Eine Gruppe von obdachlosen Menschen und
Unterstützer*innen hatte das Gebäude mit etwa 80 eigentlich
bezugsfertigen Wohnungen im Oktober 2020 besetzt, auch um mitten in der
Coronapandemie Schutzräume zu ermöglichen. Der Senat ließ das Gebäude nach
wenigen Stunden räumen.
„Wir würden die Goldene Keule gern hier in der Mitte auf dem Hansaplatz
aufstellen und werden das auch beim Bezirksamt beantragen“, sagte Andreas
Abel nach der Verleihung. „Ich denke, das wird das ablehnen. Aber dann
stellen wir sie beim Grips ins Fenster, da ist die Keule auch für alle
sichtbar.“
22 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.grips-theater.de/ls/stuecke/maus/11
[2] /Verdraengung-von-Obdachlosen-in-Berlin/!5689870
[3] https://gangway.de/projekt/die-goldene-keule/
[4] /Polizeiwache-auf-dem-Alexanderplatz/!5470215
[5] /Verhandlungen-nach-Hausbesetzung-in-Mitte/!5721167
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Obdachlosigkeit
Verdrängung
Wohnungslosigkeit
Solidarität
Sozialer Zusammenhalt
Wohnungslosigkeit
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tagestreff für Obdachlose am Alex: Obdach und Leberkäs
Im Hofbräu am Alexanderplatz können Obdachlose eine warme Mahlzeit bekommen
– auch zu Weihnachten. Die kalten Tage treffen Menschen ohne Wohnung hart.
Obdachlosigkeit in Berlin: Kaltes Brötchen ist keine Alternative
Stammgäste der Wohnungslosentagesstätte „Warmer Otto“ wehren sich gegen d…
Schließung. Sie glauben, die Stadtmission könnte diese weiter betreiben.
Obdachlosigkeit in Berlin: Schutz bis zum Frühstück
Die Kältehilfe startet mit 1.000 Notschlafplätzen für Obdachlose. Verbände
fordern mehr Unterstützung für EU-Bürger*innen.
Habersaathstraße in Berlin-Mitte: Aktion gegen Abriss
Wohnungslose kämpfen um ein Haus in der Habersaathstraße. Der Abriss
scheint unausweichlich, bis dahin könnten Pandemiewohnungen entstehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.