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# taz.de -- Verhandlungen mit Islamabad: Pakistans Taliban und der Frieden
> Pakistans Regierung will ein Friedensabkommen mit den lokalen Taliban
> schließen. Doch die sind fordernd – und ein Scheitern könnte sie noch
> stärken.
Bild: In der Schule von Peschawar, in der 154 Menschen bei einem Anschlag der T…
Islamabad taz | Zwei tote Polizisten bei einem Bombenanschlag in Pakistans
nordwestlichem Grenzgebiet zu Afghanistan, sechs verletzte Polizisten am
selben Tag bei einem anderen Anschlag im südwestlichen Belutschistan: In
Pakistan sind solche Angriffe auf die Sicherheitsorgane fast alltäglich.
Doch eigentlich sollte das gerade anders sein – die Anschläge fallen in
einen einmonatigen Waffenstillstand parallel zu Friedensgesprächen der
Regierung mit den pakistanischen Taliban (Tehreek-e-Taliban – TTP).
Die TTP wird für die meisten islamistischen Terroranschläge in Pakistan
verantwortlich gemacht, bei denen Schätzungen zufolge in den letzten zwei
Jahrzehnten mindestens 70.000 Menschen getötet wurden. Meist brüstete sich
die TTP auch mit ihren Anschlägen, doch jetzt schwieg sie. Denn
TTP-Sprecher Umar Khurasani hat die Einhaltung des Waffenstillstands bis
zum 9. Dezember versprochen. Und laut Regierung sind die
Geheimverhandlungen mit der TTP jetzt sogar kurz vor dem Abschluss.
Vermittelt hat Siradschuddin Hakkani, Chef des Hakkani-Netzwerks und
amtierender Innenminister der Taliban-Regierung in Kabul, der selbst auf
internationalen Terrorlisten steht. An den geheimen drei Gesprächsrunden,
die bisher in den afghanischen Städten Kabul und Khost stattfanden, nahmen
je fünf Personen von beiden Seiten teil.
Wie die taz aus TTP-Kreisen erfuhr, fordern die Taliban eine Amnestie
gefangener Mitglieder und dass die Stammesgebiete an der Grenze zu
Afghanistan ihre frühere Autonomie zurückbekommen. Außerdem wollen sie,
dass Schariagerichte in den Distrikten Wasiristan und Makaland eingeführt
und die Grenzbefestigungen zu Afghanistan wieder entfernt werden. Auch will
die TTP ein internationales Büro in einem Drittstaat eröffnen, wie dies die
afghanischen Taliban in Katar vorgemacht haben.
Laut Informationsminister Fawad Chaudhary können Details der Gespräche noch
nicht bekannt gegeben werden. „Zu einem Erfolg gehört, dass die TTP
Pakistans Verfassung anerkennt. In den Stammesgebieten wie landesweit wird
es Frieden nur durch Verhandlungen geben,“ sagte er.
Der regionale TTP-Kommandant Ikramullah Mehsud, der des Anschlags auf die
Ex-Premierministerin Benazir Bhutto 2007 beschuldigt wird, aber seine
Beteiligung bestreitet, sagte der taz: „Regierung und TTP verfolgen mit den
Gesprächen eigene Interessen. So fordern wir die Freilassung von 100
gefangenen Mitgliedern. Die Regierung stimmte teilweise zu, aber nicht als
Teil eines Abkommens, sondern zur Vertrauensbildung. Bisher kamen sechs
frühere TTP-Mitglieder frei.“ Es habe schon mehrere Abkommen zwischen TTP
und Regierung gegeben, so Mehsud, sie seien aber auch wegen ihres
bilateralen Charakters gescheitert. Jetzt aber fänden die Gespräche unter
„Supervision“ der afghanischen Taliban statt, die auch als Garantiemacht
fungierten.
Ob es zu einem Abkommen kommt oder nicht: Die TTP wird auf jeden Fall
profitieren, glaubt Mehsud. „Scheitern die Gespräche, wird die Gewalt
wieder eskalieren und andere bewaffnete Gruppen, die sich einst von der TTP
abgespalten haben, werden sich uns wieder anschließen und die TTP stärken.“
Ein anderer TTP-Kommandant, der anonym bleiben will, sagte: „Mit dem
Gesprächen verfolgt die TTP ihre eigenen Interessen. Wir haben ein
brüderliches Verhältnis zu den afghanischen Taliban, weshalb wir uns ihrem
Wunsch nach Gesprächen nicht verweigern konnten. Doch durch unsere harten
Forderungen wird es entweder erst gar kein Abkommen geben oder das nicht
lange halten. Auf jeden Fall wird die TTP die Zeit nutzen, um neue Kämpfer
zu rekrutieren und auszubilden.“
## Opfer-Hinterbliebene von Anschlägen protestieren
„Wir wünschen Frieden und begrüßen alles, was dazu beiträgt“, sagt dazu…
Menschenrechtler und Führer der säkularen Paschtunenbewegung PTM, Manzoor
Pashteen der taz. „Aber wenn unaufrichtig verhandelt wird, führt das nur zu
weiterer Instabilität.“
Kritisch sieht auch Khan Zeb Burki aus Süd-Wasiristan die Gespräche. Er
promoviert zu Friedens- und Konfliktforschung und bemängelt die fehlende
„Beteiligung der Zivilgesellschaft und anderer Parteien“. „Auch sind die
Forderungen der TTP unrealistisch, was der Hauptgrund für deren Scheitern
sein könnte“, fügt er hinzu.
Bilawal Bhutto Zardari, der Führer der oppositionellen Volkspartei (PPP)
und Sohn der ermordeten Benazir Bhutto, wirft Premierminister Imran Khan
vor, dass er das Parlament in einer so wichtigen Angelegenheit nicht
einbezieht – immerhin Verhandlungen mit einer Terrorgruppe, die für viele
Anschläge verantwortlich gemacht wird. Auch protestieren die Eltern der
Opfer eines Massakers an einer vom Militär betriebenen Schule in Peschawar
im Jahr 2014 gegen die Verhandlungen. Bei dem Angriff starben 154 Schüler,
Lehrer und Mitarbeiter. Die TTP hatte sich zu der Tat bekannt. Die Eltern
fordern: Statt mit der TTP zu reden, sollte man sie zur Rechenschaft
ziehen.
24 Nov 2021
## AUTOREN
Zahra Kazmi
## TAGS
Pakistan
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Taliban
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