# taz.de -- Schauspieler Volker Lechtenbrink tot: Er schlüpfte in alle Rollen | |
> Mal Verbrecher, mal Komiker – als Schauspieler war Volker Lechtenbrink | |
> virtuos; als Sänger hatte er ein Händchen für Wehmut in | |
> Mainstreamprodukten. | |
Bild: Lechtenbrink im Theaterstück „Leben, so wie ich es mag“ in Hamburg 2… | |
Er war schon lang eine Art festes Inventar hiesiger Bühnenkunst: Volker | |
Lechtenbrink, 1944 im ostpreußischen Cranz bei (so der einstige Name) | |
Königsberg geboren, Spross einer ambitionierten Familie, zur Schule | |
gegangen im Johanneum, einer vornehmen Einrichtung in Hamburg – und | |
schließlich bekennender Hamburger. | |
Mit 14 Jahren spielte er in Bernhard Wickis antimilitaristischem Filmdrama | |
„Die Brücke“ mit, besuchte erst danach die Schauspielschule und war | |
schließlich nie mehr wegzudenken aus den TV-Produktionen aus | |
bundesdeutschen Landen. | |
Berühmt wurde er freilich nicht durch Auftritte in „Derrick“- oder „Alle | |
meine Tiere“-Folgen, auch nicht durch Rollen in Rosamunde-Pilcher- und | |
Inga-Lindström-Filmen, sondern durch ein Lied: Die melancholische Schnulze | |
„Ich mag“, erschienen in den Achtzigern, lieh sich eine Malzkaffeefirma für | |
einen Werbespot aus – Lechtenbrink hatte ein feines Händchen für die | |
wehmütigen Nöte, die in jedem Mainstreamkulturprodukt zur Geltung zu kommen | |
haben. | |
In diesem Sinne war es auch kein Wunder, dass Lechtenbrink 1983 das | |
deutsche Lied für den damals noch Grand Prix Eurovision textete, | |
„Rücksicht“ vom Duo Hoffmann & Hoffmann, ein Beitrag, der perfekt | |
Lechtenbrinks moralischen Standard einfasste: Respekt, Empathie und | |
Verständnis und eine Abscheu vor autoritären, ja soldatischen Tugenden. | |
## Sonor ohne zu dröhnen | |
Bis in die jüngste Zeit arbeitete Lechtenbrink in vielen Bereichen, war | |
auch Intendant am Hamburger Ernst-Deutsch-Theater, bekam 2010 für die | |
Darstellung in dem Stück „Frost/Nixon“ den Rolf-Mares-Preis, machte weiter | |
Musik, nahm Rollen eben auch für die populären TV-Genres an und sprach | |
Hörspiele ein. | |
Hörte man ihm zu, fiel vor allem Inhalt besonders seine sonore Stimme auf, | |
tragend, ohne zu dröhnen, selbst in den leisen Passagen, ganz der gelernte | |
Akteur, klar vernehmlich, ohne sich ins atonal Brummelige zu mogeln. | |
Lechtenbrinks Stimme kannte man indes, auch ohne ihn direkt zu sehen: Er | |
war die deutsche Synchronstimme für Hollywoodberühmtheiten wie Burt | |
Reynolds, Dennis Quaid und besonders für den von ihm verehrten Sänger und | |
Schauspieler Kris Kristoffersen, dem er auch musikalisch nachzueifern | |
suchte, mit respektablem Erfolg, etwa mit dem Album „Der Spieler“. | |
In einem Gespräch zu seinem 70. Geburtstag hatte Lechtenbrink mit Blick auf | |
sein berufliches Leben gesagt: „Ich habe alles gespielt: vom Mörder bis zum | |
Liebhaber, vom Verbrecher bis zum Komiker“ – und exakt dieses Spektrum habe | |
ihn als Schauspieler zufrieden gemacht, weder auf die eine Rolle noch auf | |
den anderen Typus festgelegt zu werden. | |
Freunde und Freundinnen erinnern sich an einen wunderbaren Erzähler (und | |
Zuhörer), an noble Gastfreundschaften durch ihn und jede Menge Energie. | |
77-jährig ist Volker Lechtenbrink am Montag in Hamburg nach langer | |
Krankheit gestorben. | |
23 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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