# taz.de -- US-Komiker äußert sich transphob: Unglückliches Coming-Out | |
> Der US-Komiker Dave Chappelle macht in seiner Netflix-Show seine | |
> Abneigung gegenüber trans-Menschen deutlich. Und er bekommt dafür | |
> Zuspruch. | |
Bild: Komiker Dave Chappelle bei der Grammy-Verleihung 2018 | |
Im Namen der LGBTQ-Community möchte ich mich bei Dave Chappelle bedanken. | |
Denn er hat es geschafft. Er hat mit „The Closer“ sein spätes Coming-out | |
vor einem Millionenpublikum unverkennbar vollzogen. Darin verglich er das | |
Transgender-Dasein mit Blackfacing. Sein Coming-out also als Mitglied von | |
„Team TERF“, wie er sich selbst stolz bezeichnet. Somit gesellt er sich | |
gerne zu den Trans Exclusionary Radical Feminists, deren erklärtes Ziel es | |
ist, Transgender-Personen wie mich nicht nur aus dem Feminismus zu | |
verbannen, sondern überhaupt im Alltag einzuschränken. | |
Seitdem sein Auftritt in seinem Netflix-Spezial neulich gestreamt wurde, | |
gibt es heftig Proteste gegen die Sendung, nicht nur aus der queeren | |
Community. Das ist auch gut so. Schlecht ist: Netflix feuerte als Erstes | |
gleich drei sich beschwerende Mitarbeitende, darunter mindestens eine | |
Schwarze trans* Frau. | |
Immerhin hat Chappelle neue Freunde. Selbst Trump-Anhänger, die ihn Jahre | |
zuvor wegen seiner Konvertierung zum Islam beschimpft hatten, üben | |
bereitwillig den Schulterschluss mit ihm. Und vermeintliche Feministinnen, | |
die sich einst an seinen misogynen Witzen störten, begrüßen seine klare | |
Kante gegen Tante Tunte. Kulturk(r)ampf hoch drei. Und dann gibt es die | |
Fans, die ihm treu bleiben, weil er mit seinem empathielos vulgären | |
Repertoire als Tabubrecher wirkt. Das ist er auch, aber eher in Richtung | |
Jurassic Park gehend. | |
Dabei könnte gerade Chapelle es besser wissen und besser machen: Der | |
US-Komiker, dessen Schwarzer Humor seit fast zwanzig Jahren einem | |
internationalen Publikum bekannt ist, ist in der Hauptstadt Washington D.C. | |
geboren und in New York aufgewachsen. Er nahm sich die Afroamerikaner | |
Richard Pryor und Eddie Murphy zum Vorbild. Bei seinem ersten Auftritt in | |
Harlems renommiertem Apollo Theater wurde er noch mit Buhrufen von der | |
Bühne gefegt. Doch er riss sich wieder zusammen. Whoopi Goldberg entdeckte | |
ihn, bald trat er mit ihr bei „Comic Relief VI“auf. | |
## Was sollte diese als Komödie kaschierte Hetze? | |
Es funkte. Er tourte und wurde nicht ausgebuht, sondern ausgebucht. Zudem | |
erschien er in Nebenrollen in hochprofilierten Hollywood-Filmen neben Stars | |
wie Tom Hanks. Seine ab 2003 produzierte Sendung „Chappelle’s Show“, die | |
mit Satire und auch Selbstironie jede Menge heiße Eisen anfasste, besonders | |
bezüglich rassistischer Vorurteile, wurde auch hierzulande auf Comedy | |
Central und MTV zu einem großen Erfolg. | |
Nach einer Auszeit meldete er sich zurück, aber so was von. Ein | |
Stand-up-Comedian als Stehaufmännchen. 2018, 2019 und 2020 erhielten seine | |
Comedy-Alben einen Grammy. Der Mark-Twain-Award kam auch noch dazu. Seit | |
drei Jahren reüssiert er als Mitglied der Academy of Motion Picture Arts | |
and Sciences. Er ist trotzdem frech wie Oscar. Und so ist es für mich ein | |
Bedürfnis, ihm zu gratulieren. | |
In meiner allerersten Kolumne in diesem Blatt [1][setzte ich mich | |
taz-sächlich with Joanne K (für „Karen“) Rowling auseinander]. Die | |
transphoben Tweets der Hexendichterin waren kein Ausreißer, sondern lauter | |
Besenreiser. Aber nun treten mir die Venen so richtig hervor. Denn ein | |
Schwarzer Mann tritt mich und andere Black Queens mit Füßen. Oder was | |
sollte diese als Komödie kaschierte, wenn auch verfassungskonforme Hetze? | |
## Einerseits trans* Personen und andererseits Schwarze | |
Sein Vergleich verrät seine Haltung: In seiner übersichtlichen Welt gibt | |
es einerseits trans* Personen und andererseits Schwarze. Hat er nie von der | |
Schwarzen trans*-Aktivistin Marsha P. Johnson gehört? Übrigens: | |
Ausgerechnet Chappelle ist in einem früheren Sketch mit Blackface | |
aufgetreten – er wollte damit gegen Stereotype angehen. Das höhnisch | |
klingende Gelächter einer weißen Person am Set ließ ihn davor | |
zurückschrecken. Schon deshalb sollte er sich Blackfacing-Vergleiche | |
endlich abschminken. | |
Um es klarzumachen: Der Humor müsste weder der moralischen Erbauung dienen | |
noch politisch korrekt sein. Aber Witze auf Kosten marginalisierter | |
Menschen, Witze, die weiter zum Mobbing und zur Entmenschlichung beitragen, | |
haben es verdient, gecancelt beziehungsweise abgekanzelt zu werden. | |
„The Closer“ dauert knapp 80 Minuten und ist damit schon anderthalb Stunden | |
zu lang. Chapeau, Chappelle. Nimm nun deinen Hut. | |
2 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Michaela Dudley | |
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