# taz.de -- Krieg in Äthiopien: „Eine neue politische Struktur“ | |
> Welche Ziele verfolgen die Tigray-Rebellen in Äthiopien? Ein Vertreter | |
> gibt Einblicke – zum Beispiel über eine etwaige Unabhängigkeit Tigrays. | |
Bild: Front gegen die Regierung Abiy Ahmeds: Erklärung von mehreren Gruppen in… | |
BRÜSSEL taz | Was wollen die Tigray-Rebellen der TPLF | |
(Tigray-Volksbefreiungsfront), die Äthiopien ab 1991 bis zu ihrem Bruch mit | |
[1][Ministerpräsident Abiy Ahmed] 2020 regierten und seitdem gegen die | |
äthiopische Zentralmacht kämpfen? Es geht momentan an erster Stelle um eine | |
neue Regierung für Äthiopien, betont Merkeb Negash Yimesel, ehemaliger | |
äthiopischer Diplomat in Brüssel und heute für die TPLF diplomatisch tätig. | |
Geplant ist eine Übergangsregierung auf [2][Grundlage des Bündnisses], das | |
die TPLF am 5. November in Washington mit acht bewaffneten Gruppen aus | |
anderen Ethnien und Regionen Äthiopiens schloss – Afar, Agaw, Benishangul, | |
Gambella, Kimant, Oromo, Sidama und Somalia. An der Kriegsfront hat die | |
TPLF bereits eine Zusammenarbeit mit der Oromo-Rebellengruppe OLA | |
(Oromo-Befreiungsarmee) verkündet, die Teile der Region Oromia rings um die | |
[3][Hauptstadt Addis Abeba] kontrolliert. | |
Die Übergangsregierung „würde unter ihren Bestandteilen über die Zukunft | |
des Landes beraten“, sagt Merkeb Negash. „Sie würde eine neue politische | |
Struktur beschließen, die Tigray und Oromia mehr Autonomie gibt“. Er | |
erinnert daran, dass das neue Rebellenbündnis für „Demokratie, Gleichheit | |
und Selbstbestimmung“ kämpfe. Es wolle auch „Offizielle des Regimes und | |
ihre Kollaborateure bei schweren Menschenrechtsverletzungen und | |
Völkermordverbrechen“ strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen. | |
Gegen Abiy Ahmed vertritt der TPLF-Diplomat eine harte Linie. Er macht den | |
äthiopischen Ministerpräsidenten für eine gezielte [4][Kampagne gegen | |
Tigrayer] verantwortlich. Seine Regierung erkenne man nicht an, denn sie | |
sei aus „Scheinwahlen“ ohne Opposition hervorgegangen. | |
## Alle Optionen bleiben offen | |
Ein Problem für jede neue äthiopische Regierung wäre, dass sie Eritrea zum | |
Feind hätte – [5][Eritreas Armee hat der äthiopischen Armee] bei ihrer | |
Repression in Tigray geholfen. Doch eine TPLF-geführte Übergangsregierung, | |
da ist sich Merkeb Negash sicher, könnte gute Beziehungen zu allen Nachbarn | |
aufbauen. | |
Er erinnert an die Regierungszeit des historischen TPLF-Führers Meles | |
Zenawi als Ministerpräsident Äthiopiens von 1991 bis zu seinem Tod 2012: | |
„Zu Sudan hatten wir damals immer gute Beziehungen. Sie haben sich | |
verschlechtert, vor allem wegen des Streits über den Staudamm“ – der | |
[6][Renaissance-Staudamm am Blauen Nil in Äthiopien], den Sudan und Ägypten | |
kritisch sehen. „Wir wollen die guten Beziehungen reaktivieren. Die | |
Sudanesen haben unsere Flüchtlinge aufgenommen. Sie sind sehr hilfreich | |
gewesen.“ | |
Den TPLF-Diplomaten im Ausland kommt zugute, dass sie zumeist lange Jahre | |
führende äthiopische Diplomaten gewesen sind und ihre Gesprächspartner | |
kennen. „Wir treffen europäische Politiker und Diplomaten“, erklärte Merk… | |
Negash über seine Arbeit in Brüssel und äußert seine „Anerkennung für die | |
humanitäre Hilfe der EU für die Flüchtlinge und ihre Bemühungen, | |
humanitären Zugang nach Tigray zu erhalten“. Er betont auch positiv, dass | |
die EU in der Vergangenheit einen Dialog zwischen der TPLF und Äthiopiens | |
Regierung herbeizuführen versucht hat – eine Option, die laut Merkeb Negash | |
aktuell nicht zu existieren scheint: „Abiy will nicht verhandeln“, | |
kritisiert er. | |
Letztendlich wird aus den Worten des Diplomaten deutlich, dass die TPLF | |
sich alle Optionen offenhält – sogar eine Sezession. „Die Zukunft Tigrays | |
kann nur das Volk Tigrays in einem Referendum entscheiden“, sagt er. „Ob | |
das die Unabhängigkeit ist oder ein anderes Arrangement, kann nur das Volk | |
Tigrays entscheiden, keine politische Partei.“ | |
10 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
François Misser | |
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