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# taz.de -- Gericht verhandelt Bestechlichkeit: Folgenschwere Freikarten
> Im Prozess zur Vergabe von Freikarten für ein Rolling-Stones-Konzert im
> Hamburger Stadtpark sagen Beschuldigte, so etwas sei branchenüblich.
Bild: Gab's den Stadtpark nur gegen Freikarten? Bühne der Rolling Stones
Hamburg taz | Haben sich Vertreter der Hamburger Verwaltung der
Bestechlichkeit und Bestechung schuldig gemacht, indem sie [1][Freikarten
für ein Konzert der Rolling Stones] am 9. September 2017 im Stadtpark
annahmen? Als Gegenleistung sollen der damalige Bezirksamtsleiter Harald
Rösler (SPD) und sein Vertreter Tom Oelrichs (CDU) den attraktiven Ort für
’nen Appel un’n Ei dem [2][Konzertveranstalter FKP-Scorpio] zur Verfügung
gestellt haben. Ob dem so war, verhandelt seit Mittwoch das Hamburger
Landgericht.
Das Konzert, zu dem an die 80.000 Besucher kamen, war der Auftakt zu einer
Europa-Tournee der Rockband und mit der entsprechenden Publicity für die
Stadt verbunden. Die zentrale Festwiese im Stadtpark war seit 1987 nicht
mehr für Popkonzerte freigegeben worden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Rösler und Oelrichs vor, für die Nutzung des
Parks nur rund 200.000 Euro Gebühren verlangt zu haben, während 600.000
Euro angemessen gewesen wären. Somit wäre der Stadt ein Schaden in Höhe von
400.000 Euro entstanden.
„Rösler sollte sich für ein möglichst günstiges Nutzungsentgelt einsetzen…
trug die Staatsanwaltschaft vor. Im Gegenzug habe sich der
Bezirksamtsleiter vom Veranstalter 100 Freikarten geben und 300 Kaufkarten
reservieren lassen. Die Freikarten verteilte er unter Mitarbeitern seines
Bezirksamtes, angeblich als Dank für geleistete und zukünftige Dienste. Die
Kaufkarten soll er „Freunden des Hauses“ angeboten haben.
[3][Zwei SPD-Staatsräte – so heißen in Hamburg die Staatssekretäre – nah…
das Angebot an.] Sie bezahlten jeweils mehrere Hundert Euro für die Tickets
und wandten ein Strafverfahren gegen sich mit der Zahlung von vierstelligen
Geldbußen ab. Eine SPD-Staatsrätin, die zwar keine Tickets bezog, Röslers
Aktion aber mit einer rückdatierten Genehmigung absegnete, musste eine
Geldstrafe von mehr als 20.000 Euro bezahlen. Sie verlor ihr Amt.
Der inzwischen pensionierte Bezirksamtsleiter Rösler äußerte sich nicht zur
Sache. Dafür wehrte sich sein damaliger Vertreter, der damalige Leiter des
Dezernats „Steuerung und Service“, in einer 90-minütigen Einlassung gegen
die Vorwürfe. Oelrichs hatte für sich, seine Frau und seine Tochter drei
Freikarten angenommen. Rösler hatte dies genehmigt.
„Die [4][Stones] verfolgen mich und meine Familie seit vier Jahren“, sagte
Oelrichs. „Es ist das erste Mal, dass ich mich verteidigen kann.“ Die
Tickets habe er in Anspruch genommen, weil er an diesem Abend das
Bezirksamt repräsentiert habe, verteidigte sich Oelrichs. Zudem sei er in
seiner Funktion als Leiter des Krisenstabes dort gewesen, schließlich hätte
die Massenveranstaltung ja auch aus dem Ruder laufen können.
Mit dem Konzert, das für das Bezirksamt eine Riesenaufgabe bedeutet hätte,
sei er aufgrund seiner Arbeitsüberlastung nur wenige Stunden intensiv und
unter Zeitdruck befasst gewesen. Das Annehmen und Weiterreichen der Tickets
halte er nach wie vor für rechtlich in Ordnung. Die Vorwürfe seien
unplausibel, schon weil es kein Motiv gebe. „Was hätte Rösler denn
erreichen wollen?“, fragte Oelrichs.
Für ihn habe außer Zweifel gestanden, dass der Vertrag über die
Stadtparknutzung schon geschlossen gewesen sei, als die Tickets angeboten
wurden. Schließlich sei schon bundesweit über das Event berichtet worden,
sodass der Senat schwerlich einen Rückzieher hätte machen können.
Zudem sei zweifelhaft, ob FKP-Scorpio überhaupt ein Vorteil gewährt worden
sei. Rösler habe das Nutzungsentgelt im Rahmen seines Ermessens festgelegt
– ein Entgelt, das im Übrigen vergleichsweise hoch gewesen sei, wie auch
der Rechtsbeistand des Veranstalters bestätigte.
## Freikarten wegen Repräsentationspflichten
Für eine „nackte Wiese“ ohne Infrastruktur habe Scorpio 255.000 Euro
Entgelt bezahlt. Für ein vergleichbares Konzert auf der gut ausgestatteten
Trabrennbahn seien 140.000 Euro fällig gewesen. Zudem habe Scorpio fast
500.000 Euro für die Beseitigung von Schäden am Park bezahlt.
Dass dem Vermieter ein Kartenkontingent, sogenannte „Venue Tickets“ zur
Verfügung gestellt werden, sei im Übrigen üblich und in den städtischen
Regularien vielfach vorgesehen, sagte Oelrichs. „Die Gewährung von
Freikarten an Vermieter entspricht den allgemeinen Gepflogenheiten“, sagte
auch Scorpio-Anwalt Oliver Pragal. Eine vergleichbare Praxis in der
Elbphilharmonie werde ja auch nicht beanstandet. Die Einladung des
Bezirksamtsleiters Rösler zum Konzert und zu einem Empfang sei dessen
Repräsentationspflichten geschuldet gewesen.
Dessen Rechtsbeistand Leon Kruse sagte daraufhin, dass die Tickets nicht
dem Bezirksamtsleiter persönlich übergeben worden seien, sondern dem
Bezirksamt. Wenn also ein geldwerter Vorteil eingezogen werden müsste,
sprich die von der Staatsanwaltschaft errechneten 400.000 Euro, dann bei
der Stadt selbst.
11 Nov 2021
## LINKS
[1] /Anklage-gegen-Ex-Bezirkschef-Roesler/!5674332
[2] http://www.fkpscorpio.com/
[3] /Bestechungsskandal-um-Konzertkarten/!5576581
[4] https://rollingstones.com/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Hamburg
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