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# taz.de -- Anerkennung von Berufskrankheiten: „Das zu beweisen, ist schwieri…
> Damit die Berufsgenossenschaft ein Leiden als arbeitsbedingt anerkennt,
> muss viel passieren.
Bild: Schwere Arbeit: Wer gesundheitliche Schäden davon trägt, muss das erst …
taz: Herr Wellmann, ich hab ’n bisschen Rückenschmerzen. Ein Fall für die
Berufsgenossenschaft?
Niklas Wellmann: Wahrscheinlich eher nicht. Es gibt eine Liste mit
Berufskrankheiten, mit jeweils speziellen Anforderungen. Beim Beispiel
Rücken wäre eine Anforderung, dass Sie einen Bandscheibenvorfall haben.
Was muss alles stimmen, damit eine Krankheit von der BG anerkannt wird?
Es gibt drei Bereiche, die abgeklopft werden. Einmal die
versicherungstechnischen: Ist jemand überhaupt versichert? Viele
Selbstständige sind es nicht. Dann die medizinischen Voraussetzungen: Das
Krankheitsbild muss eine bestimmte Form aufweisen, der Bandscheibenvorfall
ist ein Beispiel. Und schließlich die arbeitstechnischen Voraussetzungen,
für jedes Krankheitsbild eigene. Bei Knieschäden zum Beispiel muss man
mindestens 13.000 Stunden mit den Knien gearbeitet haben, damit es als
Berufskrankheit gilt.
Wie will man das nachweisen? Das klingt irre kompliziert.
Kommt drauf an, wen man fragt. Die Berufsgenossenschaft argumentiert, dass
man über so klare Regeln Fälle schneller bearbeiten kann. Aus Sicht der
Betroffenen ist das schwierig. Oft ist nicht ermittelbar, wie ich die
letzten 30 Jahre gearbeitet habe. Dann geht der Beweisnotstand zulasten der
Antragssteller. Viele Krebserkrankungen machen sich erst nach Jahrzehnten
bemerkbar. Manchmal sind dann die Aufbewahrungsfristen schon abgelaufen und
Arbeitgeber haben keine Aufzeichnungen mehr. Dann wird es schwierig.
Wie hoch sind denn die Erfolgsquoten?
Das hängt von der Berufskrankheit ab. Bei Muskel-Skelett-Erkrankungen wie
Rücken oder Knie ist die Anerkennungsquote sehr gering, etwa zehn bis 20
Prozent. Bei Corona werden aktuell 60 bis 70 Prozent der Fälle anerkennt,
das ist hoch. Mesotheliome, die durch Asbest verursacht werden, werden
zwischen 80 und 90 Prozent anerkannt.
Ich habe Zahlen gelesen, nach denen Lungenkrebs statistisch nur halb so oft
anerkannt wird, wie es durch Asbest wahrscheinlich wäre.
Das ist tatsächlich ein Unterschied, Mesotheliome und Lungenkrebs sind
beides Krebsarten, aber nur die eine ist klar auf Asbest zurückzuführen.
Für Lungentumore gibt es viele mögliche Ursachen. Da den Zusammenhang zur
Arbeit zu beweisen, ist schwer.
Wenn Sie das System nach Ihren Vorstellungen gestalten dürften – was würde
anders aussehen?
Ich würde es leichter machen, einen Nachweis für eine Berufskrankheit zu
erbringen: Heute reicht ein einfacher Nachweis nicht, es muss statistisch
sehr, sehr wahrscheinlich sein. Außerdem wünsche ich mir mehr
Möglichkeiten, sich zu beteiligen: Es gibt die freie Gutachterwahl im
medizinischen Bereich – die müsste nun noch eingehalten werden. Und dann
wäre es schön, wenn die Arbeitnehmer auch im arbeitstechnischen Bereich den
Gutachter aussuchen könnten. Der kommt nämlich heute von der BG.
Und der entscheidet zugunsten der Berufsgenossenschaft?
Die Diskussion gibt es, aber das ist spekulativ. Man kann einen Sachverhalt
mit einem Gutachten nicht umkrempeln. Aber es gibt natürlich Grenzfälle: Ab
20 Prozent Minderung der Erwerbsfähigkeit gibt es eine Berufsrente.
Bestimmt entscheidet sich da der eine Gutachter eher für 10 Prozent, der
andere für 30. Und es ist möglich, dass ich als Gutachter zumindest glaube,
dass es mehr Aufträge gibt, wenn ich häufiger ablehne. Ich denke, jede
Seite hat so ihre Lieblingsgutachter.
24 Oct 2021
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Arbeitsrecht
Prekäre Arbeit
Arbeit
Gesundheit
Asbest
Arbeitsrecht
Gorillas
Arbeitsbedingungen
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