| # taz.de -- Corona-Ausbruch im Knast in Hannover: Schutz ist hinter Gittern teu… | |
| > Im Gefängnis in Hannover gibt es 15 Corona-Fälle. Überteuerte | |
| > Schutzmasken mussten Gefangene bisher von ihrem kargen Lohn selbst | |
| > bezahlen. | |
| Bild: Maskenpflicht? In Hannovers JVA gilt die nur fürs Personal | |
| Bremen taz | Wer sich [1][im Knast in Hannover vor Corona schützen] will, | |
| der muss das auf eigene Faust tun – und das heißt auch: auf eigene Kosten. | |
| Der Staat finanziert den Gefangenen keine Masken, Schutz auf eigene | |
| Initiative gibt es nur zu überhöhten Preisen. | |
| Eine Maskenpflicht gilt nur für die Mitarbeitenden, die sowohl FFP-2- als | |
| auch OP-Masken von ihrem Arbeitgeber gestellt bekommen. Die Insassen selbst | |
| sind völlig davon ausgenommen. „Die Gefangenen werden durch die | |
| Bediensteten geschützt“, argumentiert Gefängnisdirektor Matthias Bormann. | |
| Das erscheint erst einmal sinnvoll: Immerhin sind Inhaftierte quasi in | |
| ständiger Kohorten-Quarantäne, mit wenig Kontakt in die Außenwelt. | |
| Besucher*innen müssen geimpft sein oder dürfen Kontakt nur durch eine | |
| Plexiglasscheibe haben. Und für Mitarbeitende gilt wie im ganzen Land eine | |
| 3-G-Pflicht. | |
| Das System hat angesichts von Impfdurchbrüchen aber durchaus seine Tücken. | |
| Aktuell zeigt sich das durch einen [2][Corona-Ausbruch in der | |
| Justizvollzugsanstalt (JVA) Hannover]. Bereits am 22. November, so heißt es | |
| aus der Gefängnisleitung, war ein externer Mitarbeiter trotz | |
| Grippesymptomen in die Anstalt gekommen; als Geimpfter musste er keinen | |
| Test machen – später stellte sich jedoch heraus, dass er coronapositiv war. | |
| ## Auf Gedeih und Verderb | |
| Zwei Inhaftierte aus zwei verschiedenen Häusern hatten sich bei ihm | |
| angesteckt; mittlerweile sind 60 Gefangene in einem eigenen Trakt in | |
| Quarantäne und 15 von ihnen nachweislich infiziert. Für die | |
| Gefängnisleitung ist der Ausbruch eine Mischung aus Schicksal und | |
| menschlichem Versagen: „Für Impfdurchbrüche kann niemand in die | |
| Verantwortung genommen werden“, sagt Bormann, „gegen die Ignoranz von | |
| Symptomen ist kein Kraut gewachsen“. | |
| Ein Inhaftierter, der sich „Oktopus“ nennt (Name der Redaktion bekannt), | |
| sieht das etwas anders. Er fordert strengere Kontrollen, vor allem aber | |
| Masken für die Gefangenen selbst. „Wir Inhaftierten sind dem System auf | |
| Gedeih und Verderb ausgesetzt“, bemängelt er gegenüber der taz. „Mein | |
| Vertrauen in die Verantwortung der Angestellten ist da nicht groß genug.“ | |
| Tatsächlich seien nach dem Ausbruch OP-Masken verteilt worden – bisher | |
| allerdings als einmalige Ausnahme. | |
| Auch die Gefängnisleitung selbst kann nur auf „drei Stoffmasken“ verweisen, | |
| die den Inhaftierten 2020 ausgeteilt worden seien. Alles weitere müssten | |
| die Inhaftierten selbst „vom Anstaltskaufmann“ beziehen. Der heißt in der | |
| ganzen Republik Massak und ist als Monopolist für seine [3][außergewöhnlich | |
| hohen Preise] verrufen. | |
| Ein Blick auf die Preisliste zeigt: OP-Masken gibt es bei Massak im | |
| Zehnerpack noch für einigermaßen erschwingliche 2,99 Euro. Für eine | |
| einzelne FFP-2-Maske zum Eigenschutz zahlen Gefangene aber ganze 1,99 Euro | |
| – gut dreimal so viel, wie in einem Drogeriemarkt. | |
| Verschärft wird das Problem, weil Gefangene nur wenig Geld zur freien | |
| Verfügung haben. Für ihre Arbeit in der Haftanstalt bekommen sie zwar einen | |
| Lohn; der jedoch orientiert sich an der sogenannten [4][„Eckvergütung“, die | |
| nur neun Prozent des Durchschnittseinkommens] von | |
| sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beträgt. | |
| ## In Bremen bekommen Inhaftierte die Masken bezahlt | |
| Für Gefangene, die nicht arbeiten können, gibt es noch weniger – „Oktopus… | |
| spricht von einem Taschengeld von 40 Euro im Monat. „Da überlegt man schon | |
| dreimal, ob man das Geld investieren soll“, sagt der Gefangene. Zumal | |
| Inhaftierte, die sich für eine Maske entschieden, dafür von Teilen des | |
| Gefängnispersonals wegen „Panikmache“ verspottet würden, behauptet Oktopu… | |
| Ob die JVA in Hannover einen Sonderweg geht, oder ob in ganz Niedersachsen | |
| ähnlich verfahren wird, kann das zuständige Justizministerium am Dienstag | |
| nicht ermitteln. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Bremen: Dort | |
| werden Masken laut einem Sprecher der Justizbehörde nach Bedarf gestellt. | |
| 8 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gesundheitsversorgung-in-Gefaengnissen/!5699817 | |
| [2] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Impfdurchbruch-in-Hannover-Gefang… | |
| [3] https://ggbo.de/massak-und-verpflegungspauschale/ | |
| [4] https://dejure.org/gesetze/JVollzGB_III/49.html | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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