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# taz.de -- Wirtschaftsforscher über Pflegekosten: „Arme sind früher pflege…
> Warum ein geringeres Einkommen statistisch zu früherem Pflegebedarf
> führt, weiß der Ökonom Peter Haan. Helfen könne eine Bürgerversicherung,
> sagt er.
Bild: Führt statistisch zu früherem Pflegebedarf: der Dachdeckerberuf
taz: Herr Haan, Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen Einkommen werden
früher pflegebedürftig als Wohlhabende. Das stellen Sie in einer neuen
Studie dar. Wie ist der genaue Befund?
Peter Haan: Ungleichheit hat mehrere Gesichter. Ärmere Leute sterben nicht
nur früher, sondern sie benötigen im Durchschnitt auch deutlich eher
pflegerische Unterstützung. Bei Männern, die weniger als 60 Prozent des
mittleren Einkommens beziehen, setzt die Pflegebedürftigkeit knapp sechs
Jahre, bei Frauen vier Jahre früher ein, als bei Wohlhabenden mit über 150
Prozent.
Welche Ursachen sehen Sie?
Es gibt viele Ursachen, die zum Teil zusammenhängen. Ein wichtiger Grund
ist die Arbeitsbelastung während des Berufslebens. Viele Bauarbeiter oder
Dachdecker verdienen nicht nur vergleichsweise wenig Lohn, sondern die
Arbeit geht auch auf die Knochen. [1][Bei Alten- und Krankenpflegerinnen]
dürfte sich auch die psychische Belastung bemerkbar machen.
Armut in jungen Jahren bedingt also Benachteiligung im Alter. Gibt es
weitere Beispiele für dieses Phänomen?
Leute mit höheren Einkommen leben länger als Niedrigverdiener. Der
Unterschied kann sechs oder sieben Jahre ausmachen, wenn man sich die
Lebenserwartung nach dem Alter von 65 anschaut. Und er steigt mit die Zeit.
Von dem generellen Anstieg der Lebenserwartung profitieren eher die
Gutsituierten. Das hat auch mit ihrer besseren Bildung zu tun. Unter
anderen erhöht Bildung das Gesundheitsbewusstsein. Außerdem erhalten Ärmere
später geringe Renten, weil sie nur niedrige Beiträge eingezahlt haben.
Hinzu kommt, dass sie kürzer Rente bekommen, weil sie früher sterben. Das
kann man als Umverteilung von armen zu reichen Haushalten betrachten.
Die Pflegeversicherung deckt heute nur einen kleineren Teil der
individuellen Kosten ab. Bekommen ärmere Leute auch eine schlechtere
Pflege, weil sie weniger eigene Mittel aufbringen können?
Diesen Zusammenhang haben wir [2][in unserer Studie] nicht untersucht, aber
man kann ihn vermuten. Wenn die Pflegebedürftigen den Eigentanteil nicht
selbst aufbringen, haben sie Anspruch auf Transferleistungen. In diesem
Rahmen werden aber nur die Basiskosten übernommen. Das kann sich negativ
auf die Qualität der Pflege auswirken.
Wenn die Politik ein Interesse daran hätte, für mehr sozialen Ausgleich zu
sorgen, was müsste sie tun?
Eine Variante bestünde darin, die Leistungen der Pflegeversicherung von den
Beiträgen zu entkoppeln. Niedrigverdiener würden eine bessere Pflege
finanziert bekommen als heute. Auch die Einführung der
[3][Bürgerversicherung] könnte helfen: Beamte und Selbstständige trügen
dann die gesetzliche Pflegeversicherung mit. Weil sie länger gesund sind
und weniger Kosten verursachen, stünden mehr Mittel für die Benachteiligten
zur Verfügung. Und natürlich geht es darum, die Belastungen während des
Arbeitslebens zu verringern: kürzere Arbeitszeiten, mehr Angebote für
Gesundheitsprävention.
Die Bürgerversicherung hat die wohl kommende Regierung aus SPD, Grünen und
FDP schon ausgeschlossen.
Das scheint die Krankenversicherung zu betreffen. Aber vielleicht gibt es
noch Chancen bei der Pflege. Dort muss etwas passieren, die Pflegereform im
vergangenen Sommer ging nicht weit genug.
3 Nov 2021
## LINKS
[1] /Protest-der-Pflegerinnen/!5800613
[2] https://www.diw.de/de/diw_01.c.827839.de/aermere_menschen_werden_haeufiger_…
[3] /Buergerversicherung/!t5058777
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Rente
Altersarmut
soziale Ungleichheit
Schwerpunkt Armut
Pflege
GNS
Pflege
Familie
Kolumne Postprolet
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