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# taz.de -- EU streitet mit Polen: Gesprächsfaden nicht zerreißen
> Nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts will die EU-Kommission
> gegen Polen vorgehen. Welche Sanktionen das sein sollen, ist noch unklar.
Bild: Hängen aneinander: Polen- und Europaflagge bei Protesten in Warschau
Brüssel taz | Ursula von der Leyen gab sich kämpferisch. Das EU-Recht stehe
über nationalem Recht, erklärte die Chefin der EU-Kommission nach dem
Urteil des polnischen Verfassungsgerichts. „Mit allen Mitteln“ werde sie
gegen das Verdikt aus Warschau vorgehen, erklärte die CDU-Politikerin in
Brüssel.
Doch welche Mittel das sein könnten und wann sie zur Tat schreiten will,
ließ von der Leyen offen. Dabei fordert das Europaparlament schon seit
Wochen mehr Einsatz. Die EU-Abgeordneten haben sogar eine Untätigkeitsklage
gegen die Kommission auf den Weg gebracht, damit endlich etwas passiert.
Dass von der Leyen immer noch zögert, hat mehrere Gründe. Zum einen
verdankt sie ihre Wahl nicht zuletzt dem „starken Mann“ aus Polen, Jarosław
Kaczyński. Der autoritäre Chef der Regierungspartei PiS machte 2019 erst
nach Drängen von Kanzlerin Angela Merkel den Weg für von der Leyen frei.
Zum anderen möchte die deutsche Kommissionschefin den Gesprächsfaden mit
Polen nicht zerreißen. Sie setzt, wie Merkel, auf Dialog. Ohne die
Regierung in Warschau, das weiß man auch in Brüssel, wird sich von der
Leyens Lieblingsprojekt, der „European Green Deal“, nicht umsetzen lassen.
## „Nuklearoption“
Last but not least ist noch unklar, wie die polnischen Richter ihr Urteil
begründen. Erst nach einer eingehenden Analyse der schriftlichen
Urteilsbegründung will die EU-Kommission handeln.
Dabei hat sie mehrere Optionen. Einige sind Routine, andere kommen einer
„Nuklearoption“ gleich, so zerstörerisch können sie wirken. Zur Routine
gehört ein Vertragsverletzungsverfahren, wie es die Kommission auch nach
einem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter eingeleitet hat. So könnte
Brüssel versuchen, doch noch ein polnisches Bekenntnis zum EU-Recht zu
erzwingen. Mehr politischen Druck würde ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren
entfalten. Damit könnte die EU Polen das Stimmrecht im Ministerrat
entziehen, jedenfalls theoretisch. In der Praxis läuft dieses Verfahren,
das 2017 schon einmal gestartet wurde, jedoch ins Leere, da es
Einstimmigkeit erfordert – und die lässt sich kaum erzielen.
Ungarn steht Polen bei und verhindert so den nötigen Konsens. Die
EU-Kommission hat bereits erklärt, dass sie keinen neuen Anlauf unternehmen
will, sondern bestenfalls das laufende Artikel-7-Verfahren bekräftigen und
ausweiten werde. Offenbar glaubt sie nicht mehr an einen Erfolg.
Mehr Wirkung verspricht der Umweg über den Geldbeutel. Schon jetzt hält die
EU-Kommission die für Polen bestimmten 24 Milliarden Euro aus dem
Corona-Hilfsfonds zurück – wegen ungeklärter rechtsstaatlicher Fragen. In
einem nächsten Schritt könnte Brüssel sogar Strukturfonds und andere
reguläre EU-Mittel für Warschau streichen.
Dazu müsste allerdings noch der neue Rechtsstaatsmechanismus in Gang
gesetzt werden, der Kürzungen bei Korruption oder anderen Gefahren für das
EU-Budget vorsieht. Doch gegen diesen Mechanismus haben Polen und Ungarn
bereits vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, die Verhandlung hat erst
am Montag in Luxemburg begonnen. Mit einem Urteil wird erst in einigen
Monaten gerechnet.
12 Oct 2021
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Polen
Europäische Union
PiS
Europäische Union
Polnische Justizreform
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Polen
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