# taz.de -- Österreichs Kanzler Kurz schmeißt hin: Basta, Basti! | |
> Der konservative Regierungschef tritt wegen Korruptionsermittlungen | |
> zurück. Er wolle Platz machen, um Chaos zu verhindern, sagt er. | |
Bild: Und tschüss: Sebastian Kurz nach Bekanntgabe seines Rücktritts am Samst… | |
WIEN taz | [1][Sebastian Kurz] tritt zur Seite. 24 Stunden, nachdem | |
Österreichs Kanzler einmal mehr seine Unschuld in der | |
Inseratenkorruptionsaffäre und seine Handlungsfähigkeit beteuert hatte, | |
legt er nun doch die Kanzlerschaft nieder. Kurz kommt damit einem | |
Misstrauensvotum zuvor, das am kommenden Dienstag bei einer Sondersitzung | |
des Nationalrats von der Opposition gestellt worden wäre. | |
Er begründete seinen Schritt damit, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei | |
und der wirtschaftliche Aufschwung erst begonnen habe. Daher sei es | |
unverantwortlich, hier auf Monate „in ein Chaos zu schlittern“. Ein solches | |
sieht er in der Allianz zwischen SPÖ, Neos, Grünen und FPÖ, die die | |
Opposition in den vergangenen Tagen zimmern wollte. | |
Kurz und seinen Getreuen wird von der Wirtschafts- und | |
Korruptionsstaatsanwaltschaft unter anderem vorgeworfen, seinen Aufstieg | |
zum Parteichef und Kanzler durch frisierte Umfragen und unappetitliche | |
Deals mit dem Boulevard erkauft zu haben. | |
Mit seinem „Schritt zur Seite“ will Kurz die Koalition mit den Grünen | |
retten, denn diese hätten den Misstrauensantrag wohl unterstützt. Sie | |
wollen nur mit einer „untadeligen Person“ weiterregieren. Diese untadelige | |
Person soll der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg sein. | |
## Zunächst einmal immun | |
Kurz selbst bleibt aber nicht nur ÖVP-Parteichef, sondern wird auch den | |
Fraktionsvorsitz im Parlament übernehmen. Landwirtschaftsministerin | |
Elisabeth Köstinger (ÖVP), hat via Twitter ergänzt, dass Kurz nur „bis bis | |
zur Klärung der erhobenen Vorwürfe als Klubobmann in den Nationalrat“ | |
wechsle. | |
Der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger lieferte dazu einen „Funfact: Wenn | |
Kurz sein Mandat im Nationalrat (wieder) annimmt, ist er zunächst einmal | |
immun. Die Ermittlungen gegen ihn (aber nicht gegen andere Beschuldigte) | |
haben so lange zu ruhen, bis der NR die Zustimmung zur behördlichen | |
Verfolgung erteilt hat“. Solange Kurz Abgeordneter ist, müssen also die | |
Ermittlungen eingefroren werden, es sei denn, der Immunitätsausschuss des | |
Nationalrats beschließe seine Auslieferung. | |
FPÖ-Chef Herbert Kickl reagierte deswegen höhnisch. In einem Kommuniqué | |
sprach er von einer „Flucht in die parlamentarische Immunität“. Und: „Ku… | |
mag als Kanzler weg sein – aber das türkise System ist nach wie vor voll | |
da.“ | |
Ähnlich sieht es auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Kurz werde als | |
Schattenkanzler weiter die Fäden ziehen, fürchtet sie. Denn alle seine | |
Vertrauten würden auf ihren Posten verbleiben. | |
## Zentrale Figur | |
Der Fraktionschef ist eine zentrale Figur, die nicht nur die Abgeordneten | |
auf Linie halten muss, sondern oft auch am Ministerrat teilnimmt. „Ein | |
wirklicher Machtverlust sieht anders aus“, analysierte denn auch der | |
ORF-Politologe Peter Filzmaier in einer Sondersendung am Samstagabend. | |
Der Karrierediplomat Alexander Schallenberg sei ein enger Vertrauter, der | |
im Kanzleramt sicher nicht gegen die Interessen von Kurz handeln werde. Von | |
Rendi-Wagner bekommt er jedenfalls einen Misstrauensvorschuss: | |
„Schallenberg hat sich kürzlich selbst als türkisen Überzeugungstäter | |
bezeichnet.“ In der Tat hat er die kompromisslose Antiflüchtlingshaltung | |
von Kurz übernommen. | |
Am längsten Zeit mit einer Reaktion ließen sich die Grünen, die über das | |
vergiftete Geschenk [2][der ÖVP] nicht glücklich sein können. Mehr als eine | |
Stunde nach Kurzens Erklärung trat Vizekanzler Werner Kogler vor die | |
Presse. Es gehe jetzt „vor allem darum, Stabilität zu garantieren“. Es sei | |
„eine Variante gewählt worden, die wir dem Regierungspartner vorgeschlagen | |
haben“. | |
Man könne jetzt die Regierungsarbeit auf Basis des Regierungsprogramms | |
fortsetzen, insbesondere die bereits paktierte ökosoziale Steuerreform | |
vorantreiben. Mit Schallenberg habe er bereits ein Gespräch vereinbart. | |
Noch am selben Abend ließ die ÖVP-Parlamentsfraktion übrigens wissen, dass | |
sie einem Auslieferungsantrag für Sebastian Kurz zustimmen werde, damit er | |
seine Schuldlosigkeit vor Gericht beweisen könne. Bis es zum Prozess gegen | |
Kurz und die weiteren neun Beschuldigten kommt, wird es nach Ansicht des | |
Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer aber mindestens ein Jahr dauern. | |
9 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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