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# taz.de -- Sebastian Kurz unter Korruptionsverdacht: Die ÖVP betoniert sich e…
> In Österreich hat sich die ÖVP hinter Kanzler Kurz gestellt. Nun liegt
> der Ball bei den Grünen. Dienstag könnte es zum Koalitionsbruch kommen.
Bild: Demonstration gegen Sebastian Kurz vor der Zentrale der ÖVP in Wien am 7…
Wien taz | „Mach's wie [1][Laschet – tritt zurück]!“ Diese Botschaft
schickte ein Demonstrant am Donnerstagabend mit seinem Papp-Transparent an
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Gemeinsam mit rund zweitausend
weiteren Demonstranten stand er vor der Parteizentrale der ÖVP in Wien.
Dort wehten die roten Fahnen der Jungsozialisten und der Kommunistischen
Partei (KPÖ), die seit ihrem Wahlerfolg in Graz Aufwind verspürt.
Sprechchöre forderten: „Kurz muss weg!“
Seit den Razzien der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im
Bundeskanzleramt, Finanzministerium sowie bei hohen ÖVP-Funktionären am
Mittwoch weht wieder ein Hauch von Ibiza durch die Republik. [2][Kanzler
Kurz wird verdächtigt, seinen kometenhaften Aufstieg durch gefälschte
Umfragen und schmutzige Deals mit dem Boulevard befördert zu haben] – und
das mit Steuergeld. Hohe Haftstrafen drohen.
Gleichzeitig berieten am Donnerstag in der Politischen Akademie der ÖVP die
ÖVP-Landeshauptleute und Parteichefs der Bundesländer. Das Ergebnis taten
Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Fraktionschef August Wöginger
kurz nach 22 Uhr vor der wartenden Presse kund: Die Partei stehe
geschlossen hinter ihrem Chef. Ohne Sebastian Kurz werde es kein
Weiterregieren geben. Es liege nun am grünen Koalitionspartner, die
Stabilität im Land zu gewährleisten.
Damit spielte man den Ball zurück zu den Grünen, deren Parteichef Werner
Kogler Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Kanzlers geäußert hatte. Sie
würden gerne weiterregieren, aber nicht mit Kurz, so Kogler. Deutlich hatte
es auch der Abgeordnete Michel Reimon ausgesprochen: „Kurz ist nicht mehr
amtsfähig, mit diesen Ermittlungen als Dauerbelastung kann er nicht Kanzler
sein“.
Reimons Wunsch: „Diese Koalition hat ein Programm umzusetzen, eine Pandemie
und den Klimawandel zu bekämpfen. Die Mindestanforderung an die VP ist,
dass sie einen amtsfähigen Kanzler stellt, der das leisten kann. Das sollte
für eine staatstragende konservative Partei selbstverständlich sein.“
## Spannend wird's am Dienstag
Die Grünen haben am kommenden Dienstag die Gelegenheit, bei einer
Sondersitzung des Nationalrats dem von der Opposition eingebrachten
Misstrauensantrag gegen Kurz eine Mehrheit zu verschaffen. Sollte das
passieren, würden ihre Minister geschlossen zurücktreten, hat die ÖVP
signalisiert. Will man dann Neuwahlen vermeiden, so sind mehrere Szenarien
möglich, wie der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk am Freitag im
Ö1-Morgenjournal erläuterte.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen könnte die Chefin der SPÖ, die als
zweitstärkste Partei aus der Wahl 2019 hervorgegangen war, oder auch eine
andere Person mit der Regierungsbildung beauftragen. Spekuliert wird über
eine Koalition aus SPÖ, Grünen und den liberalen Neos, die von der rechten
FPÖ toleriert würde.
Dass eine solch breite Koalition funktionieren kann, wenn man ein
notorisches Stehaufmännchen als Regierungschef ablösen will, hat zuletzt
die [3][Erfahrung in Israel] gezeigt. Allerdings kann sich in Österreich
niemand wirklich eine Zusammenarbeit mit dem Corona-Leugner Herbert Kickl
von der FPÖ vorstellen. Möglich wäre daher auch eine Expertenregierung wie
unter der Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein nach dem Ibiza-Skandal
2019.
## Kurz hat alle möglichen Partner verschlissen
Der Bundespräsident könnte aber auch den Nationalrat auflösen. An diesem
Szenario, das baldige Neuwahlen nach sich ziehen würde, ist derzeit keine
Partei interessiert. Die Wahlkampfkassen sind leer und für eine dritte
Wahlen innerhalb von vier Jahren hätte auch die Bevölkerung kein
Verständnis.
Der Politologe Thomas Hofer schließt nicht aus, dass die ÖVP mit einem als
Opfer von bösen Oppositionsintrigen in Szene gesetzten Sebastian Kurz
erneut die relative Mehrheit erringen könnte. Allerdings: Mit wem sollte er
regieren? Alle möglichen Partner – SPÖ, FPÖ und Grüne – hat er bereits
verschlissen. Ein Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern, auf dem eine
Koalition aufbauen muss, ist derzeit kaum vorstellbar.
Die Korruptionsermittler arbeiten indes weiter und haben neue Dokumente
veröffentlicht, aus denen hervorgeht, wie die Kurz-Berater auf die
unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS Druck ausübten,
ihre Prognosen den Vorstellungen der ÖVP anzupassen. Die ÖVP drohte derweil
mit Kürzung der öffentlichen Subventionen, die die Institute in Österreich
erhalten. Der neue Chef des IHS, der deutsche Wirtschaftsweise Lars Feld,
hat seinen Posten derweil noch nicht angetreten, weil ein Teil der
Finanzierungszusage noch aussteht.
8 Oct 2021
## LINKS
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[3] /Israels-neue-Regierung-ist-vereidigt/!5778606
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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