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# taz.de -- Erneuerung der Union: Bedenken beim Anblick eines Löwen
> CDU und CSU wollen sich neu erfinden. Das könnte enden in einem aus den
> Trümmern neu zusammengesetzten, parteigewordenen Albtraum.
Bild: Kein senfgelber Löwe, sondern ein weißer Mann
Ich habe vergangene Woche in einem sehr alten Hotel in Nürnberg
übernachtet. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1777 und hat die Luftangriffe
der Alliierten auf das ideologische Zentrum des Nationalsozialismus im
Zweiten Weltkrieg weitestgehend überstanden.
Als ich morgens aus dem Fenster blickte, grinste mich [1][ein senfgelber
Löwe neben dem Schriftzug „CSU“] auf der Fassade des Nachbargebäudes an. …
einer normalen Welt hätte ich mich gefreut, dass CSU und CDU, die Parteien
von Horst Seehofer und Friedrich Merz, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
bald auf der Oppositionsbank sitzen werden, fast keine Gestaltungsmacht
haben, Parteien von gestern sein werden. Aber ich fühlte beim Anblick der
Buchstaben C und S und U (in meinem Kopf noch ein D) nur Sorgen, gar ein
bisschen Panik.
Wenige Tage vorher hatte der saarländische CDU-Ministerpräsident gesagt,
seine Partei brauche nun einen „neuen Sound“. Nach was diese neue Union
wohl klingen wird?
Vielleicht nach Sprung in einer alten Platte: Denn aus den Löchern der
merkellosen CDU/CSU sind längst jene gestiegen, die schon immer gegen die
vermeintlich so nette Bundeskanzlerin rebelliert haben. Jene, die sich in
Deutschland eine noch rechtere Rechte erträumen. Entweder weil sie fest
daran glauben und/oder weil sie denken, sie würden damit mehr
Wähler*innen erreichen. Unionspolitiker (es sind hauptsächlich Männer)
laufen im Wahn durch die Parteinetzwerke und stimmen ihre Instrumente, um
den „neuen Sound“ zu proben: einige von ihnen wollen mehr Leitkultur, mehr
Kapitalismus, mehr Franz Josef Strauß.
Die Lage ist beschissen
[2][Tilman Kuban, Vorsitzender der antik wirkenden Jungen Union], stufte
längst die Lage seiner Partei als „beschissen“ ein und kündigte an, dass
bei CDU/CSU kein Stein auf dem anderen bleiben dürfe. Die viel beschworene
Zerstörung der CDU (und CSU) könnte in einem aus den Trümmern neu
zusammengesetzten, parteigewordenen Albtraum enden. Ein Albtraum für Frauen
(wegen traditionellen Familienwerten), queere Menschen (wegen
„Gender-Gaga“), rassifizierte und migrantisierte Menschen (Menschenwürde
verletzende Fluchtpolitik und Zwangsintegration), Arme (noch neoliberaler
als die Ampel sein müssen), Antifaschist*innen (Law and Order), also
für all die, die mit Heimatpolitik nichts anfangen können.
Was soll das überhaupt bedeuten, wenn die bei der Union von „Erneuerung“
faseln? Die SPD hat gezeigt, was Erneuerung im Parteiuniversum bedeuten
kann: Olaf Scholz wird (sehr wahrscheinlich) Kanzler. Bei CDU/CSU sollten
wir uns in vier Jahren nicht wundern, dass sie es mit einem AfD-Imitat
versuchen könnten. Wer kann schon ausschließen, dass sie damit sogar eine
Chance hätten, zu alter Prozentstärke wiederzufinden? Vielleicht sogar in
politische Lager eingeteilt, weil man für die Zukunft des deutschen Volks
einen Konsens auf der rechten Seite des Bundestags gefunden hat.
Ich wünschte, meine Nürnberger Bedenken beim Anblick des CSU-Löwen wären
haltlos.
28 Oct 2021
## LINKS
[1] /CSU-emanzipiert-sich-vom-Parteichef/!5804431
[2] /Deutschlandtag-der-Jungen-Union/!5805883
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
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