Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verzicht auf Alkohol und Drogen: Am O-Saft nippen
> Der Verzicht auf Alkohol provoziert Trinkende und zieht nervige Fragen
> nach sich. Einfacher wäre: Den Umstand kommentarlos zu akzeptieren.
Bild: Warum wird einem fast immer Orangensaft als einzige Alternative zum Sekt …
Wenn man in Deutschland höflich ein alkoholisches Getränk ablehnt, gibt es
drei Fragen, die üblicherweise aufkommen: Bist du schwanger? Bist du krank?
Bist du Islamist?
Ich kenne Kartoffeln, die so wie ich, freiwillig und ohne „triftigen Grund“
[1][auf Schnaps und anderen Alkohol verzichten]. Selten werden sie dabei
aber als potentielle Gefahr für die innere Sicherheit gelabelt. Ein
Mohamed, der nicht trinkt, mit dem stimmt etwas nicht, also grundsätzlich
und so, dass einigen Angst und Bange wird. Mir ist es schon passiert, dass
eine Gastgeberin die Weingläser panisch bei einem Abendessen wegräumte und
ich beteuern musste: Es ist absolut okay, wenn andere trinken, ich muss
halt nicht.
Ich kann nachvollziehen, dass es unangenehm ist, wenn einige Menschen
ungerne in Anwesenheit einer nüchternen Person Alkohol konsumieren. Während
die anderen [2][einen Blackout haben könnten], macht sich Mohamed Notizen
im Kopf – which is true. Ich weiß noch ganz genau, was bei der
Weihnachtsfeier passiert ist.
Ich meide generell Saufgelage und finde es okay nicht immer dazu eingeladen
zu werden. Sturzbetrunkene Männer sind eh keine lustige Gesellschaft. Das
musste ich während des Studiums auf einigen Partys eindrucksvoll erfahren,
als die Kanzlerkandidaten der Zukunft Weinflaschen gegen Wände schmissen
und Jackass-Mutproben durchführten. Oft kam dieses judgy „ach komm schon!“.
## Keinen Druck ausüben
Es geht mir auf die Nerven, quasi seitdem ich selbstständig trinken kann,
muss ich mich rechtfertigen. Das mit dem „wie, du rauchst nicht!?“ hat zum
Glück vor Jahren aufgehört, manche sind schockiert, dass ich keinen Kaffee
trinke. Aber die drei Schritte, die einige rückwärts laufen, wenn ich
Alkohol ablehne, verraten: Die gesellschaftliche Norm liegt bei 1,3
Promille.
Ich habe auf Empfängen angefangen, Sekt-Gläser zu halten weil die Blicke
zuvor IMMER auf mein Glas mit Orangensaft gefallen sind (warum wird einem
fast immer Orangensaft als einzige Alternative angeboten?). Nicht selten
wurde das Gespräch auf meine Abstinenz gelenkt: „Warum trinkst du keinen
Sekt, Mohamed? Hm?“ Ich wurde sogar schon zum trinken gezwungen. Einmal mit
dem Satz: „Der Wein war super teuer.“ Ich habe es mit einer Schorle
versucht, der Wein schmeckte kacke, mir war übel. Ich vertrage halt auch
nichts.
Ähnliche Rückmeldungen kommen beim Thema Drogenkonsum auf. Es ist für
einige komisch, ich weiß, aber es ist ja mein Body und ich kann halt keine
Drogen nehmen. Mein Verzicht auf Alkohol und Drogen schadet niemandem, eher
freut sich die Krankenkasse und wer mich kennt, weiß, dass es der Stimmung
nicht unbedingt schadet, wenn ich klar im Kopf bin.
Generell bringen solche sozialen Dynamiken (oft in sehr progressiven
Kreisen) Menschen in Erklärungsnot: Es gibt Leute, die auf Entzug sind. Es
gibt Leute, die aus religiösen Gründen nichts trinken. Es gibt Leute, die
wirklich krank sind. Sie unter Druck zu setzen ist uncool. Also demnächst
einfach zuprosten, egal ob mit Sekt, Orangensaft oder einem anderen Getränk
und einfach die Gemeinschaft genießen.
17 Sep 2021
## LINKS
[1] /Konsum-von-Bier-und-Schnaps/!5501033
[2] /Symptome-auch-ohne-Alkohol/!5564285
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Kolumne Die Nafrichten
Alkohol
Drogenkonsum
Sucht
IG
Kolumne Die Nafrichten
Kolumne Die Nafrichten
Kolumne Krank und Schein
Alkoholmissbrauch
Alkohol
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erneuerung der Union: Bedenken beim Anblick eines Löwen
CDU und CSU wollen sich neu erfinden. Das könnte enden in einem aus den
Trümmern neu zusammengesetzten, parteigewordenen Albtraum.
Desiderius-Erasmus-Stiftung: Üppig geförderter Faschismus
Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ist von Rechtsextremen durchsetzt.
Ihr stehen Fördergelder von bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr zu.
Abhängigkeit von Alkohol: Das Problem der anderen
Alkoholsucht ist etwas für Kurzgeschichten und Dokus – dachte ich lange.
Bis die negativen Folgen von Alkohol mich selbst trafen.
Sozialarbeiter über Komasaufen: „Um Spaß geht’s da nicht“
„Hart am Limit“ (HaLT) hilft Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftungen ins
Krankenhaus kommen. Das werden immer mehr, sagt Chef Jörg Kreutziger.
Konsum von Bier und Schnaps: „Alkohol muss hinterfragt werden“
In Schottland ist der Preis für Alkohol drastisch erhöht worden. Auch in
Deutschland müsste das so sein, fordert Suchtexperte Peter Raiser.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.