# taz.de -- Krisenkonferenz der CDU: Die neue Lust auf Streit | |
> Wird der nächste CDU-Chef über eine Mitgliederbefragung bestimmt? In | |
> Baden-Württemberg will man erst mal über Inhalte reden. | |
Bild: Deja-vu? Friedrich Merz und jens Spahn bei einer Regionalkonferenz 2018 | |
KARLSRUHE taz | Vergangene Woche brachte es der Mannheimer CDU-Stadtrat | |
Thomas Hornung zu bundesweiter Prominenz, [1][weil er eine Reporterin bei | |
ihrer Arbeit behinderte.] Während einer Live-Schalte vom Parteitag des | |
CDU-Stadtverbands unterbrach Hornung die Berichterstatterin so lange, bis | |
sie ihren Beitrag abbrechen musste. Er fühlte sich von der Reporterin | |
gestört. | |
Der Eklat sorgte für so viel Wirbel, dass sich die Ortspartei für ihr | |
wildgewordenes Parteimitglied entschuldigen musste. | |
Hornung aber ist nicht nur einfach ein wilder Typ. Er war Mitarbeiter und | |
ist enger Freund des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel, | |
[2][der seiner Partei die Maskenaffäre] und finanzielle Ungereimtheiten | |
samt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen hinterlassen hat. In dem Beitrag | |
der Reporterin ging es um die Verstrickung der Mannheimer CDU in die | |
Geschäfte von Löbel. | |
Nicht überall ist die CDU in einem so desolaten Zustand wie in Mannheim. | |
Aber wenn an diesem Samstag die Kreisparteichefs aus dem ganzen Land in | |
Berlin zusammenkommen, um den Fahrplan zur Wahl eines neuen | |
Parteivorsitzenden festzulegen, können sie der Parteiführung viel von | |
aufgebrachten Parteimitgliedern berichten. | |
Richard Arnold, CDU-Urgestein und Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, | |
schaut skeptisch auf das Treffen in der Hauptstadt, wo es wieder vor allem | |
um Verfahren und Köpfe gehen wird. „Dabei gibt es einen für die CDU | |
ungewöhnlichen Hunger nach einer inhaltlichen Debatte“, beobachtet er. Die | |
Mitglieder wollten nicht möglichst schnell einen neuen Vorsitzenden wählen, | |
sondern erst mal über die Partei und ihre Positionen sprechen, sagt Arnold, | |
der früher die baden-württembergische Landesvertretung in Brüssel geführt | |
hat und bis heute weit über den Tellerrand seiner Gemeinde blickt. | |
Arnold hat mit seiner Kreis-CDU gleich nach der Wahl eine Veranstaltung | |
gemacht. Über Hundert Leute seien da gekommen und hätten eifrig über | |
Gesundheitspolitik und Infrastruktur gesprochen, aber nicht darüber, wer | |
die CDU künftig führen soll. | |
„Dieses Treffen der Kreisvorsitzenden ist jetzt nicht die richtige | |
Veranstaltung“, findet Arnold. Allein schon, dass es in Berlin stattfindet, | |
sei das falsche Signal. Die Parteispitze müsste jetzt zu den Mitgliedern | |
kommen, eine Tour durchs Land machen, so wie Annegret Kramp-Karrenbauer | |
nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden, sagt Arnold. | |
Auch wenn das wehtut, was der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl gerade | |
erfahren muss. Er macht die Tour durch die Orts- und Bezirksparteitage, und | |
muss sich eine Menge anhören. Etwa von der CDU-Ortsvorsitzenden aus | |
Unterkirnach bei Ulm. Sie berichtet von monatlichen Parteiaustritten und | |
über ihre leere Parteikasse, die der Anlass für die schwäbische | |
Unternehmerin Susanne Ciampa war, auf dem Bezirksparteitag den | |
Parteivorsitzenden und 25 weitere Mitglieder zum Rücktritt aufzufordern. | |
Thomas Strobl, baden-württembergischer Landesinnenminister, seit dem Jahr | |
2011 Landesvorsitzender und Wolfgang Schäubles Schwiegersohn, steht bei | |
vielen an der Basis für jene Hinterzimmerpolitik, die Arnold kritisiert. | |
Strobl ist ein Überlebender der alten CDU. Mit seiner politischen | |
Puddinghaftigkeit konnte er sich als einer der wenigen aus der kurzen | |
Regierungszeit des [3][Stuttgart-21-Vollstreckers Stefan Mappus] retten und | |
sogar Parteivorsitzender werden. Spitzenkandidat wurde Strobl dennoch nie. | |
Im Jahr 2015 unterlag er in der Mitgliederbefragung Guido Wolf. Und vor der | |
letzten Wahl musste er Susanne Eisenmann den Vortritt lassen. Beide Wahlen | |
gingen verloren, Wolf ist heute Hinterbänkler im Landtag, Eisenmann aus der | |
Öffentlichkeit verschwunden. Nur Strobl ist immer noch da. | |
Viel spricht dafür, dass ihn die Delegierten am 13. November auf dem | |
Landesparteitag noch einmal zum Vorsitzenden wählen. Seine politische | |
Lebensversicherung ist die Koalition mit Kretschmanns Grünen, wo er die | |
einstmals stolze Südwest-CDU ein weiteres mal als Juniorpartner | |
untergebracht hat. | |
Nicht nur Strobl hat schlechte Erfahrungen mit der Mitgliederbefragung | |
gemacht. In der Südwest-CDU hat sie schon mal für eine Spaltung gesorgt. | |
2004 wollte der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel mit einer Urwahl | |
Günther Oettinger als seinen Nachfolger verhindern. Er schickte die spätere | |
Bundesbildungsministerin Annette Schavan ins Rennen. Die Folge war der Sieg | |
Oettingers und ein tiefer Graben zwischen katholischen, konservativen, | |
ländlichen Schavan-Anhängern und eher liberal-städtischen | |
Oettinger-Anhängern. Eine Spaltung, die bis heute nachwirkt. | |
Kein Wunder, dass in Strobls Umfeld wenig Begeisterung für eine | |
Mitgliederbefragung herrscht. Die Befürchtung der Parteiführung im | |
Südwesten: Am Ende werde der lauteste und populistischste Kandidat der neue | |
Bundesvorsitzende. Teufel, Oettinger, Schavan, Mappus? Für Ciampa, die | |
Delegierte, die den Abwahlantrag gegen Strobl stellte, sind das Namen aus | |
fernen Zeiten. Sie kenne diese alten Geschichten nur vom Hörensagen, sagt | |
sie. Und es klingt, als seien sie ihr auch ein bisschen egal. Ciampa will | |
einen Neuanfang. Die CDU ist ihr zu weich gespült. „Man muss sich auch mal | |
wieder richtig streiten“, findet sie. | |
„Die Basis ist heute selbstbewusster“, bestätigt Bürgermeister Arnold, �… | |
sind keine Abhak-Partei mehr.“ Die Gute Nachricht sei: „Den Mitgliedern ist | |
die Partei immer noch wichtig.“ Die schlechte: „An der Parteispitze scheint | |
das keinen zu interessieren.“ Der Bürgermeister muss bitter lachen. | |
30 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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