# taz.de -- Autorin über das Patriarchat: „Das Ende ist in Aussicht“ | |
> Dank des sicheren Vaterschaftsnachweises wird die Gleichberechtigung | |
> kommen, sagt die Autorin Christina von Braun. Es ist nur eine Frage der | |
> Zeit. | |
Bild: Kleiner Test, große Wirkung: Probenentnahme für einen Vaterschaftstest | |
taz: Frau von Braun, können wir das Patriarchat überwinden? | |
Christina von Braun: Ja, es ist ein Ende in Aussicht. Weil das, was die | |
Basis dieses Patriarchats ausmachte, nämlich eine Definition von | |
Männlichkeit gleich Kultur, gleich Geistigkeit, damit auch Deutungshoheit, | |
das war die Unsicherheit der Vaterschaft. Mit der Zeugungsforschung im 19. | |
Jahrhundert und der Genetik im 20. Jahrhundert ist das allmählich | |
entfallen. Und dann kam 1984 der sichere Vaterschaftsnachweis. Das heißt, | |
in diesem Prozess wurde der Vater genauso biologisch und „Natur“ wie die | |
Mutter. Wenn man versteht, dass diese Unsicherheit der Vaterschaft den | |
männlichen Körper prädestinierte, als eine geistige Institution gedacht zu | |
werden und nicht als eine biologische, natürliche, steht und fällt die | |
ganze Frage von Patriarchat und spezifischer Männlichkeit. Aber bis das in | |
den Psychen von uns allen angekommen ist, das dauert ein bisschen. | |
Wann haben Sie das erste Mal festgestellt, dass das Geschlecht in Ihrem | |
Leben eine Rolle spielt? | |
Ich glaube sehr früh. Ich habe die ersten fünf Jahre im Vatikan gelebt. | |
Dort wird man sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es Männer und Frauen | |
gibt, dass es geschlechtergetrennte Welten gibt und die Männer eher dazu | |
neigen, schwarze Soutane zu tragen. | |
Sie haben über die Kostümfeste Ihrer Eltern geschrieben, zu denen sie einen | |
Geschlechtertausch praktizierten und die Sehnsucht Ihrer Mutter männlich zu | |
sein, um Unabhängigkeit zu erreichen. Wie ist das bei Ihnen, fühlen Sie | |
sich wohl in Ihrer Rolle als Frau? | |
Für die Generation meiner Mutter war es noch schwer, irgendeine Art von | |
Gleichstellung zu erreichen. Es haben zwar auch in Ihrer Generation schon | |
viele Frauen die Gleichberechtigung für sich erfochten. Meine Mutter war | |
nicht so, aber es war ihr schmerzlich bewusst, und das kam in diesen | |
Situationen eben rüber. Unbewusst hat sie das meinen Schwestern und mir | |
mitgeteilt. Für uns vier Töchter gab es überhaupt keine Frage: Wir wollten | |
auf eigenen Beinen stehen. | |
Sie erzählen auch von Ihrer Zeit in einer Mädchenschule in England, die Sie | |
sehr genossen haben. Fühlen Sie sich noch immer wohler in geschützten | |
Räumen? | |
Ich habe immer wieder festgestellt, dass Frauen untereinander viel offener | |
sprechen. Dieses Gefühl, dass man mit denselben Problemen zu tun hat, ist | |
unter Frauen stärker. Ich bin dann später in eine gemischte Schule in | |
Deutschland gekommen und habe gemerkt, wie sehr jedes dieser Mädchen sich | |
den Blicken der Jungen ausgesetzt fühlt. | |
Hätten Sie denn eine Idee, wie man auch in gemischten Räumen bewirken | |
könnte, dass Frauen sich wohler fühlen? | |
Es ist tatsächlich sehr wichtig, dass man in dieser Zeit, wo man sich | |
überhaupt erst findet, einen geschützten Raum hat. Pädagogen sagen | |
inzwischen auch, dass Mädchen in Mädchenschulen mehr Selbstsicherheit | |
entwickeln. Gemischte Schulen tragen eher dazu bei, die Jungen zu | |
zivilisieren. Die Mädchen bekommen also eine Funktion. Ich glaube, für | |
Mädchen wären nicht-gemischte Schulen besser. | |
Denken Sie nicht, dass das ein Fall ins kalte Wasser wäre, wenn man von | |
diesem geschützten Rahmen ins gemischte Umfeld kommt? | |
Diese Mädchen und ich hatten ja auch Brüder und Väter. Die Männerwelt war | |
nicht außerhalb. Aber was man in der Schule erfährt, erstens in der Gruppe | |
seinen Platz zu finden, zweitens auch sich Stoff anzueignen, das | |
funktioniert für Mädchen in einer reinen Mädchenschule besser. | |
In Ihrem Buch geht es um einen Wandel der Geschlechterrollen, speziell der | |
Rolle und Rechte der Frauen. Inwiefern werden sich die Rollen in Zukunft | |
verändern? Wird es noch die klassischen Rollen Mann und Frau geben? | |
Es ist eindeutig, dass es heute die sogenannten sexuellen Zwischenstufen | |
gibt. Aber dass noch in Männlichkeit und Weiblichkeit gedacht wird, wird | |
nicht aufhören. Man kann nur hoffen, dass es nicht mit diesen negativen | |
Vorzeichen für Frauen geschieht, eben dass sie [1][schlechter bezahlt | |
werden], dass sie viel mehr kämpfen müssen, um ihren Weg zu gehen und dass | |
sie sich auch in den Zweierbeziehungen, soweit sie heterosexuell sind, | |
durchsetzen müssen. Ich bin davon überzeugt, dass die Hierarchie der | |
Geschlechter ein Ende haben wird. Es dauert nur. | |
27 Oct 2021 | |
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