| # taz.de -- Platz an der Spree in Berlin wird knapp: Ein gallisches Dorf | |
| > Ein Bekenntnis gegen Investorenarchitektur will der Holzmarkt sein. Nun | |
| > orientiert man sich auch dort dahin, wo in Berlin noch Platz ist: nach | |
| > oben. | |
| Bild: Investorenlogik: der Trend in Berlin an der Spree geht nach oben | |
| Herrgott, ist diese Holzmarktstraße laut. Es geht vorbei an einem Zaun, der | |
| Bau des 70-Meter-Büroturms von Architekt David Chipperfield hat hier | |
| begonnen. Zwischen Jannowitzbrücke und Ostbahnhof werden in den nächsten | |
| Jahren in bester Spreelage etwa eine weitere halbe Million Quadratmeter | |
| Geschossfläche für Berlin entstehen. | |
| Nur wenig weiter von dort, wo der Chipperfield-Turm entsteht, findet sich | |
| aber noch etwas Understatement, wenigstens im Ausdruck: „Säälchen“ heißt… | |
| der durchaus ausgewachsene Veranstaltungsraum inmitten der kunterbunten, | |
| in- und übereinander verschachtelten Holzhütten an der Holzmarktstraße, die | |
| so gar nicht mehr in diese Gegend zu passen scheinen. | |
| ## Der Ort | |
| Lange hat man nichts mehr gehört von Berlins urbanem Dorf Holzmarkt, eine | |
| der letzten Oasen an der Spree, wo man noch rund um die Uhr ans Ufer darf, | |
| wo gefeiert wird, wo es Ateliers und Artisten gibt, Filmproduktion und | |
| Musikschule. | |
| Doch nun geht es wieder los, vor Kurzem wurden die neuen Pläne für das | |
| Stückchen Bauland vorgestellt, wo eigentlich der Holzmarkt selbst unter dem | |
| [1][Namen Eckwerk hatte bauen wollen]. | |
| Einen langen Streit zwischen Holzmarkt und dem Bezirk hat es dabei gegeben, | |
| in dem es auch darum ging, ob Freiräume für die Kultur wichtiger sind als | |
| möglichst viel bezahlbarer Wohnraum. Schließlich unterlag der Holzmarkt, | |
| nun sind wieder die üblichen Investoren an Bord. Statt Holz gibt es | |
| Stahlbeton, statt innovativer Wohnkonzepte, wie sie der Holzmarkt im Sinn | |
| hatte, Wohnungen für Studierende. | |
| ## Der Erweiterungsplan | |
| Aber irgendwie muss es ja weitergehen. Mario Husten und Konstantin Krex von | |
| der Holzmarkt Genossenschaft sitzen in ihrem Büro mit Blick auf den lustig | |
| gepflasterten Marktplatz und junge Leute, die im Café herumlümmeln. Die | |
| beiden stellen ein Modell des Hochhauses vor, das sie nach dem Scheitern | |
| ihres Eckwerks nun bauen wollen. „Das sind die Flächen, die wir mindestens | |
| brauchen, um das Grundstück langfristig zu finanzieren“, sagt Husten. „Es | |
| war von Anfang an klar, dass wir nur so viel Freiraum erhalten können, wenn | |
| wir die Kosten für das Grundstück auf mehr Schultern verteilen können“, | |
| fügt Krex an. | |
| Was heißt, dass sie auch im Sinne der öffentlichen Nutzung anstelle | |
| flächiger Bebauung am Ufer nun selbst lieber kompakt und 60 Meter hoch | |
| bauen wollen: [2][ein Hochhaus mehr an der Spree]. | |
| ## Die Gewissensfrage | |
| Aber müssen die Holzmarktleute deshalb ein schlechtes Gewissen haben? | |
| Könnten sie. Denn entstanden ist der Holzmarkt aus einer Idee von Kreativen | |
| rund um die Gründer des zuletzt auch international renommierten Clubs Bar | |
| 25. 2012 gaben sie das höchste Gebot für das Gelände ab. Käufer war eine | |
| Schweizer Pensionskasse, die es den Holzmarkt-Leuten in Erbpacht gab. | |
| Nachhaltige Projektentwickler gewinnen ein Bieterverfahren gegen | |
| Immobilienhaie: Das war eine gute Headline in einer Zeit, als die | |
| Forderungen der Berliner*innen, durchgehend öffentlichen Uferweg zu | |
| erhalten an der Spree und keine Hochhäuser zu bauen, schon wieder verhallt | |
| waren. Das arme Berlin der Neunziger hatte verkauft und Baurecht vergeben, | |
| wo es nur ging. Nun konnte die Politik nur noch sanft korrigieren bei dem | |
| baulichen Streben nach oben an der Spree. | |
| Trotzdem muss der Holzmarkt sich nicht schämen, dass auch er in die Höhe | |
| geht in einem Berlin, in dem sinnvolle Kulturprojekte weiter gesichtslosen | |
| Retortenquartieren weichen. Dass da dann Tausende arbeiten und wohnen | |
| werden, „es aber kaum Bäume geben wird, unter die man sich mal setzen | |
| kann“, sagt Mario Husten. Deswegen soll der Holzmarkt doch ruhig in die | |
| Höhe bauen, wenn er so ein bisschen Leben an der Spree erhalten kann. Etwas | |
| Besseres als den derzeitigen Stadtumbau machen sie dort jedenfalls allemal. | |
| 17 Oct 2021 | |
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| [1] /Hausprojekt-Holzmarkt-in-Berlin/!5796970 | |
| [2] /Berlin-baut-neue-Hochhaeuser/!5714341 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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