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# taz.de -- Außenpolitik bei Sondierungen: Nicht oben auf der Agenda
> Özdemir und Nouripour sind bei den rot-grün-gelben Verhandlungen nicht
> dabei. Außenpolitische Programme spielen kaum eine Rolle.
Bild: Mehr Außenpolitik wagen? Habeck (li.) und Özdemir kurz vor der Bundesta…
Eine Woche der [1][Sondierungen] geht zu Ende. Anders als vor vier Jahren
war von den Beteiligten wenig aus den Verhandlungen zu hören. Sie beließen
es dabei, zu erklären, welche Themenbereiche Gegenstand der Gespräche waren
oder sein werden. Vor den Mikrofonen und Kameras betonte man bloß, wie nah
man sich schon – oder wie fern man sich noch – fühle.
Jetzt wird sich zeigen, ob die Verhandlungsteams einer möglichen
„Fortschrittskoalition“, wie die Ampel sich jetzt nennt, weiter so
deutschlandfixiert sein werden – oder ob nicht doch auch der eine oder die
andere Expert:in für Außenpolitik mitverhandeln darf. Bis jetzt scheint
Außenpolitik jedenfalls nicht oben auf der Agenda gestanden zu haben, sieht
man sich allein die Zusammensetzung der Teams an.
[2][Das Fehlen Cem Özdemirs] im Team der Grünen wurde bis jetzt nur aus
symbolpolitischen Gründen beklagt: Ein Mann mit türkischem Nachnamen, das
wäre doch ein Zeichen. Das Problem liegt woanders. Özdemir verfügt über
außenpolitische Expertise. Er weiß nicht nur, wovon er redet, wenn er etwa
die Verhältnisse im Nahen und Mittleren Osten thematisiert. Er tut es auch.
Will sagen: Er spricht von Dingen, die uns alle angehen. Schade, dass Cem
Özdemir nicht bereits vier Jahre lang unser Außenminister war.
Immerhin hatten die Grünen ihn ins „erweiterte Sondierungsteam“ geschickt.
Außenpolitiker [3][Omid Nouripour] wäre auch eine Bereicherung fürs
Grünen-Team gewesen. Er hat der FAZ die Frage, ob Deutschland eine neue
Außenpolitik brauche, vor einer Woche mit einem einfachen, klaren „Ja“
beantwortet. Um dieses „Ja“ zu formulieren, muss man kein außenpolitisches
Genie sein.
Die Jahre der Trump-Regierung haben den Europäern gezeigt, dass sich der
transatlantische Partner schnell in einen polternden Bully verwandeln kann,
dem Europa herzlich egal ist. Auch Joe Bidens Maxime lautet „America
first“, was angesichts des desolaten Zustands seines Landes mehr als
verständlich ist, wo seit einer Woche über die katastrophalen Zustände auf
der New Yorker Gefängnisinsel Rikers Island diskutiert wird.
## Rikers Island als Symbol für das Versagen neoliberaler Politik
Rikers Island ist ein Symbol für das Versagen neoliberaler Politik in den
vergangenen Jahrzehnten, die das Verrotten von technischen und
gesellschaftlichen Infrastrukturen zur Folge hatte. Die Außenpolitik Chinas
ist unter Xi Jingping expansiver, aggressiver und autoritärer geworden.
Währenddessen führt der alte Geheimdienstler Wladimir Putin längst einen
neuen Kalten Krieg gegen die offenen Gesellschaften des Westens.
Ideologisch mit Konzepten wie der „traditionellen Familie“,
praktisch-operativ mit Desinformationskampagnen in den sozialen Medien und
über sein Propagandainstrument Russia Today. Putins
Destabilisierungskampagne funktioniert ganz gut. Die fünfte Kolonne
Moskaus rekrutiert sich aus Rechtspopulisten, Extremisten und
Verschwörungstheoretikern. Es reicht dem Kreml ein kleiner Pool aus
Verwirrten, Verunsicherten und dezidierten Feinden der Demokratie, um
Unruhe zu stiften.
Immerhin haben sich die Koalitionäre in spe auf diese Formel geeinigt: „Wir
befähigen die liberalen Demokratien Europas dazu, Desinformation,
Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und
Ausland besser abwehren zu können.“ Die Klimakatastrophe wird Konflikte auf
der ganzen Welt noch weiter befeuern. Es werden sich noch mehr Menschen
weltweit auf der Flucht befinden. Es gibt also eine Fülle von Gründen, die
deutsche Außenpolitik neu zu justieren.
Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der [4][Münchner Sicherheitskonferenz],
hatte es am Freitagmorgen noch als besorgniserregend bezeichnet, dass der
Außen-, der Sicherheits- und der Entwicklungspolitik zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt werde. Nun ist im Papier der selbsternannten
Fortschrittskoalition von einer „Allianz der Demokratien“ die Rede. Eine
„Nationale Sicherheitsstrategie“ wird angekündigt. Wir sind gespannt, wie�…
weitergeht.
17 Oct 2021
## LINKS
[1] /Sondierungen-von-SPD-Gruenen-und-FDP/!5804531
[2] /Omid-Nouripour/!t5035706
[3] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/aussenpolitik-gruenen-politiker-…
[4] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5663553
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Außenpolitik
Koalitionsverhandlungen
Ampel-Koalition
Grüne
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Afrobeat
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