# taz.de -- Kanada lässt Huawei-Managerin frei: Chinas Geiseldiplomatie funkti… | |
> Mit der Freilassung von Meng Wanzhou kommen in China zwei inhaftierte | |
> Kanadier frei. Ein gefährlicher Präzedenzfall wurde geschaffen. | |
Bild: Huawei-Managerin Meng Wanzhou dankte noch auf ihrem Rückflug der Kommuni… | |
PEKING taz | Nach außen hin zeigte sich Huawei-Gründer Ren Zhengfei stets | |
zuversichtlich über das Schicksal seiner in Vancouver verhafteten Tochter. | |
Als der chinesische Unternehmermogul im November 2019 in sein Domizil in | |
Shenzhen lud – ein luxuriöses Anwesen voll viktorianischer Wandschränke und | |
griechischer Säulen -, sagte er ohne Groll: „Ich hoffe, sie kann diese | |
Periode überwinden“. | |
Doch es sollte noch fast zwei Jahre dauern, bis er seine Tochter [1][Meng | |
Wanzhou] nun wieder in die Arme nehmen können wird. In den Abendstunden am | |
Freitag flog sie mit einer Air China Maschine von Vancouver nach Shenzhen. | |
Die 49-Jährige hatte zuvor mit den amerikanischen Behörden einen Deal | |
ausgehandelt. | |
Demnach wird das Verfahren gegen sie bis zum 1. Dezember 2022 auf Eis | |
gelegt, solange Meng öffentlich der Darstellung der US-Justiz nicht | |
widerspricht. Die Anschuldigungen Washingtons – Bankbetrug sowie Umgehung | |
der Sanktionen gegen den Iran – streitet Meng allerdings nach wie vor ab. | |
Noch während des Flugs dankte die Huawei-Finanzchefin der Kommunistischen | |
Partei Chinas, die ihre Freilassung erst möglich gemacht habe. „Die Farbe | |
Rot, das Symbol Chinas, leuchtet hell in meinem Herzen“, wird sie von den | |
Staatsmedien zitiert. | |
## Schweigen über die Freilassung der Kanadier | |
Die Propagandaorgane Pekings preisen Mengs Rückkehr vor allem als | |
diplomatischen Sieg der Staatsführung. „Wir haben diesen Kampf gewonnen“, | |
lautet einer der populärsten Kommentare auf der Online-Plattform Weibo. | |
Dort kommentiert ebenfalls Hu Xijin, Chefredakteur der nationalistischen | |
Global Times: „Ich hoffe, dass nun die internationale Ordnung wieder etwas | |
hergestellt wird. In Zukunft sollten Geschäftsleute im Ausland nicht länger | |
wegen politischen Gründen festgenommen werden“. | |
Dabei verschweigen die chinesischen Medien gezielt, dass Chinas | |
Sicherheitsapparat genau dies getan hat: Nur wenige Tage nach Mengs | |
Verhaftung im Dezember 2018 nahmen sie [2][zwei kanadische Staatsbürger in | |
der Volksrepublik fest]; den ehemaligen Diplomaten Michael Kovrig und | |
Michael Spavor, der Kultur- und Sportdelegationen nach Nordkorea | |
organisierte. | |
Spavor wurde im August zu elf Jahren Haft verurteilt, nachdem er über | |
zweieinhalb Jahre ohne Prozess in einem chinesischen Gefängnis in Dandong | |
festsaß. Die Beweise, die eine angebliche Spionagetätigkeit des Kanadiers | |
belegen sollten, waren mehr als fragwürdig: Spavor hat auf – wohl gemerkt: | |
zivilen – Flughäfen illegalerweise militärische Ausrüstung abfotografiert | |
und die Dokumente an seinen Landsmann Michael Kovrig weitergeleitet. | |
## Klassische Geiseldiplomatie | |
Den meisten Beobachtern war von Beginn an klar, dass es sich bei den | |
Verhaftungen der Kanadier um eine [3][klassische Form von Geiseldiplomatie] | |
handelt, auch wenn das Pekinger Außenministerium noch zu Beginn des Monats | |
dies kategorisch abgestritten hat: Die Fälle von Meng und den zwei Michaels | |
seien „von Natur aus völlig unterschiedlich“. | |
Glaubwürdig war dies nicht. Doch nun hat Chinas Staatsführung den | |
Gegenbeweis quasi selbst mitgeliefert: Nur wenige Stunden, nachdem Meng aus | |
dem Arrest entlassen wurde, kamen auch die zwei Kanadier frei. Es | |
überrascht dann doch, dass die Chinesen nicht wenigsten ein paar Wochen | |
abgewartet haben, um zumindest den Anschein von Unabhängigkeit zu wahren. | |
Doch darum geht es der Regierung in Peking nicht. Die Botschaft war bewusst | |
als Warnung intendiert. Insofern hinterlässt die Freude über die | |
Freilassung Spavors und Kovrig auch einen bitteren Nachgeschmack: Sie | |
demonstriert, dass Chinas Geiseldiplomatie tatsächlich funktioniert. Damit | |
ist für die internationale Gemeinschaft ein irreversibler Präzedenzfall | |
geschaffen worden: Wer sich als Ausländer in China aufhält, kann also | |
jederzeit das willkürliche Opfer von erodierenden, bilateralen Beziehungen | |
werden. | |
## Sehr unterschiedliche Haftbedingungen | |
Auch wenn Chinas Medien die Freilassung der zwei Kanadier weitgehend | |
verschweigen, lassen sich auf Weibo dennoch etliche kritische Kommentare | |
finden. „Als jemand, der beruflich mit der Justiz zu tun hat, fühle ich | |
mich sehr beschämt“, sagt ein Nutzer auf Weibo: „Wenn es sich doch so | |
deutlich um Geiseldiplomatie handelt, welchen Sinn macht es dann, genau das | |
abzustreiten?“ | |
Für Spavor und Kovrig dürften die Gründe für ihre Freilassung zweitrangig | |
sein. Beide haben schließlich über 1.000 Tage und Nächte in chinesischer | |
Haft hinter sich. Meng Wanzhou hingegen führte währenddessen in ihrer | |
luxuriösen Villa in Vancouver ein vergleichsweise angenehmes Leben: | |
Mehrmals wurde sie in Edel-Restaurants gesichtet, und Shopping-Malls haben | |
exklusiv ihre Pforten für die Einkaufstouren der Huawei-Finanzchefin | |
geöffnet. | |
Während sich Meng mit ihrer Fußfessel in einem Radius von rund 100 Meilen | |
frei bewegen durfte, steht ihre größte Isolation erst noch bevor: Die | |
14-tägige, zentralisierte Quarantäne in China ist deutlich strenger als | |
sämtliche Auflagen, die Meng Wanzhou in Vancouver einhalten musste. | |
25 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Entscheidung-zwischen-USA-und-China/!5553965 | |
[2] /Affaere-um-Huawei-Finanzchefin/!5558618 | |
[3] /Diplomatischer-Streit-mit-China/!5793297 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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