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# taz.de -- Diplomatischer Streit mit China: Kanadier zu Haft verurteilt
> Das Urteil gegen den Unternehmer Michael Spavor ist eines von mehreren.
> Peking will damit die Auslieferung einer Huawei-Managerin verhindern.
Bild: Veranstaltung in der kanadischen Botschaft in Peking nach der Verurteilun…
Peking taz | Um halb zehn tauchten die ersten Polizisten vor der
Haftanstalt in Dandong auf, um rotweiße Barrikadengitter vor dem
Haupteingang aufzustellen. Im Gegensatz zu den abgeschirmten
Prozessterminen durfte Kanadas Botschafter Dominic Barton diesmal jedoch
das Gerichtsgebäude zur Urteilsverkündung betreten. Doch was der Diplomat
von den Richtern zu hören bekam, sorgte dennoch für Entsetzen: Der seit
[1][über zwei Jahren inhaftierte Unternehmer Michael Spavor] wurde wegen
„Spionage und der Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ zu insgesamt elf
Jahren Gefängnis verurteilt. „Wir kritisieren die Entscheidung aufs
Schärfste“, kommentierte Botschafter Barton nur wenige Minuten später per
Video-Schalte.
Insgesamt drei [2][Schuldsprüche gegen kanadische Staatsbürger] werden
diese Woche in der Volksrepublik China erwartet. Alle drei Prozesse
spiegeln nicht nur die erodierenden bilateralen Beziehungen zwischen den
zwei Staaten wieder, sondern belegen auch, dass Chinas Staatsführung nicht
vor mafiöser Geiseldiplomatie zurückschreckt, um auf dem internationalen
Parkett seine politischen Interessen durchzusetzen. Somit sind die jüngsten
Ereignisse nicht zuletzt auch eine Warnbotschaft an Europa.
Die angeblichen Beweise im Spionage-Prozess gegen Spavor, der im
nordostchinesischen Dandong eine Agentur für [3][touristischen und
kulturellen Austausch mit Nordkorea] betrieb, beziehen sich auf
Fotoaufnahmen, die der 43-Jährige von chinesischen Flughäfen und
Militärbasen aufgenommen und dem ehemals [4][kanadischen Diplomaten Michael
Kovrig] als Informanten zugespielt haben soll. Auch Kovrig wartet diese
Woche auf sein Urteil. Bei einer statistischen Schuldspruchrate von etwa 99
Prozent in China wird er wohl ebenfalls eine mehrjährige Haftstrafe
verhängt bekommen.
„Wir haben von Anfang an behauptet, dass Michael Spavor und Michael Kovrig
willkürlich festgehalten werden, und fordern weiterhin ihre Freilassung“,
sagt Botschafter Barton und fügt an, was Beobachter für die Krux an der
Angelegenheit halten: Die Urteile in China würden nicht zufällig genau
jetzt gefällt werden, schließlich wird in Kanada schon bald über den Fall
der [5][Huawei-Tochter Meng Wanzhou] entschieden.
## Kanadier als politische Verhandlungsmasse
Ein Rückblick: Im Dezember 2018 haben kanadische Sicherheitskräfte die
damalige Finanzchefin des Netzwerkausrüsters wegen eines amerikanischen
Auslieferungsgesuchs festgenommen. Die USA werfen ihr vor, gegen die
bilateralen Sanktionen gegen den Iran verstoßen zu haben.
Dass die zwei Fälle miteinander verzahnt sind, legt allein schon die
Zeitleiste der Ereignisse nahe: Nur wenige Tage nach Mengs Festnahme wurden
Spavor und Kovrig in China verhaftet. Und wiederum drei Wochen später
verschärfte ein chinesisches Gericht die 15-jährige Haftstrage gegen den
kanadischen Drogenschmuggler Robert Schellenberg zu einer Todesstrafe, die
am Dienstag schließlich bestätigt wurde.
„Wenn man nicht den Anschein erwecken will, dass die Strafverfolgung
politisch wirkt, dann sollte man nicht die Verurteilung von drei
verschiedenen Kanadiern genau in der Woche ansetzen, in der der Fall Meng
Wenzhou zu Ende geht und die kanadischen Wahlen anstehen“, kommentiert der
New York Times-Journalist Paul Mazur, der bis zu seiner Ausweisung im
letzten Jahr in China gearbeitet hat.
Internationale Beobachter haben wenig Zweifel, dass Chinas Staatsführung
die Kanadier als Verhandlungsmasse betrachtet, um eine Auslieferung Mengs
an die USA zu verhindern. Bereits 2018 warnte Hu Xijin, Chefredakteur der
parteieigenen Global Times, in einem Kommentar, dass Chinas Rache auf eine
mögliche Auslieferung Mengs „deutlich schlimmer ausfallen wird, als einen
Kanadier zu inhaftieren“.
## Ein Exzentriker als Spion?
Wie willkürlich die Anschuldigungen gegen die zwei sind, wird am Beispiel
Spavor deutlich: An China hegte der 43-Jährige kein sonderliches Interesse,
politisch schon gar nicht. Das Land war lediglich Mittel zum Zweck, um
seinen Zugang zu Nordkorea aufrecht zu erhalten: Denn in der Grenzstadt
Dandong betrieb er eine Agentur, um Kultur- und Sportdelegationen nach
Nordkorea zu bringen. Er half auch dabei, den Besuch von NBA-Legende Dennis
Rodman zu ermöglichen.
Oft teilte er Anekdoten, wie er gemeinsam mit dem Basketballspieler einen
feuchtfröhlichen Nachmittag in der Sommervilla von Machthaber Kim Jong Un
verbracht hat. Mit seiner exzentrischen Paradiesvogel-Art war er das exakte
Gegenteil eines auf Unauffälligkeit bedachten Spions.
Nach der Urteilsverkündung ließ Spavor drei knappe Botschaften an die
Öffentlichkeit ausrichten: „Danke für die Unterstützung, ich bin guten
Mutes und ich möchte nach Hause“. Dass sein letzter Wunsch bald in
Erfüllung geht, hängt wohl vor allem davon ab, wie das Auslieferungsurteil
gegen Meng Wanzhou in Kanada ausfallen wird.
11 Aug 2021
## LINKS
[1] /Harte-Haftbedingungen-fuer-Kanadier/!5730570
[2] /Chinesisch-kanadischer-Popstar-in-Haft/!5786234
[3] /Tourismus-in-Nordkorea/!5443916
[4] /Zwei-Kanadier-in-China-verhaftet/!5567740
[5] /Neuer-Streit-zwischen-USA-und-China/!5557169
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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