# taz.de -- Harte Haftbedingungen für Kanadier: Seit zwei Jahren Chinas Geisel | |
> 2018 wurde Michael Spavor in China verhaftet – angeblich wegen Spionage. | |
> Wahrscheinlicher ist, dass es sich um einen Racheakt Pekings handelt. | |
Bild: Michael Spavor sitzt seit 2018 in China im Gefängnis | |
PEKING taz | Lange hatte sich Michael Spavor für einen Kurzbesuch in seiner | |
ehemaligen Wahlheimat Seoul angekündigt. Dutzende Bekannte erwarteten den | |
Kanadier, gemeinsam wollten sie in einem Restaurant den Abend verbringen. | |
Dass Spavor an jenem 10. Dezember 2018 nicht auftauchte, hatte zunächst | |
niemanden überrascht: Der Mittvierziger gilt als überaus spontan. | |
Erst am nächsten Tag gingen die Schlagzeilen um die Welt: Zwei kanadische | |
Staatsbürger seien [1][in China verhaftet worden]. Bei einem handelte es | |
sich um den Ex-Diplomaten Michael Kovrig, der andere war Spavor. „Noch | |
immer hat er keinen offiziellen Prozess bekommen. Das zeigt doch recht | |
deutlich, dass die Gründe seiner Verhaftung politischer Natur sind“, sagt | |
der Australier Jacco Zwetsloot, der in Seoul arbeitet und seit 2008 mit | |
Spavor befreundet ist: „Er wurde nur deshalb ausgewählt, weil er die | |
kanadische Staatsbürgerschaft hat und daher nützlich ist als Druckmittel.“ | |
Dass es sich um eine politische Racheaktion handelte, deutete auch Chinas | |
Regierung an. Kurz vor Spavors und Kovrigs Verhaftung wurde Meng Wanzhou, | |
Tochter des [2][Huawei]-Gründers, in Kanada festgenommen – auf Ersuchen der | |
USA, die ihr vorwerfen, Sanktionen gegen den Iran gebrochen zu haben. | |
Washingtons Argumentation ist ähnlich hanebüchen wie Pekings | |
Unterstellungen, die zwei Michaels seien „Spione“. Doch während die | |
47-jährige Chinesin in Vancouver im Luxusdomizil sitzen darf, mussten die | |
zwei Kanadier über Monate täglich bis zu achtstündige Verhöre ertragen und | |
durften das Licht in ihren Zellen nicht ausschalten. | |
China interessierte Spavor nie | |
Nun versicherte Kanadas Botschafter in Peking zumindest, den beiden gehe es | |
psychisch und körperlich gut. Ihr Fall zeigt, wie unverhohlen Chinas | |
Führung bereit ist, ausländische Staatsbürger als politische Geiseln zu | |
missbrauchen. Pekings Außenamtssprecher hatte erklärt, dass eine | |
Freilassung Mengs auch die Angelegenheit der zwei Kanadier lösen könnte. | |
Dass Spavor ein Spion sein soll, ist geradezu absurd. In bescheidenen | |
Verhältnissen in Calgary aufgewachsen, zog er Ende der 90er Jahre nach | |
Seoul, um dort als Englischlehrer zu arbeiten. Seit einem Besuch in | |
Nordkorea entwickelte er eine Faszination für das abgeschottete Land. | |
Ein Jahr arbeitete er als Informatiker bei einer NGO in Pjöngjang, später | |
zog er in die chinesische Grenzstadt Dandong, um ein Reisebüro mit Fokus | |
auf Nordkorea zu leiten. Von der Wohnung konnte er auf den Yalu-Fluss | |
blicken, hinter dem sich die nordkoreanische Stadt Shinuiju erstreckt. | |
China interessierte Spavor nie. | |
Wie lange er und Kovrig noch einsitzen werden, ist ungewiss. Das Wall | |
Street Journal berichtete zuletzt, dass die US-Regierung über eine | |
Auslieferung Mengs nach China verhandelt. Für die zwei Kanadier ist dies | |
die bisher größte Hoffnung auf Freiheit. „Ich denke, dass Spavor eine | |
Person ist, die aus allem etwas Positives ziehen kann“, sagt Weggefährte | |
Zwetsloot in Seoul: „Ich hoffe, dass er nach seiner Freilassung einen | |
guten Buchvertrag bekommt oder einen Film aus seiner Geschichte machen | |
kann.“ | |
10 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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