# taz.de -- Analyst über den Staatsstreich in Guinea: „Wahlen lösen die Pro… | |
> Stürzt der jüngste Staatsstreich in Guinea die ganze Region in die Krise? | |
> Nein, sagt Analyst Gilles Yabi. Jedes Land sei individuell zu betrachten. | |
Bild: Angespannte Situation: Unterstützer für Guineas abgesetzten Präsidente… | |
taz: Herr Yabi, war der jüngste [1][Staatsstreich] in Westafrika – in | |
Guinea – eine Überraschung? | |
Gilles Yabi: Nicht wirklich. Die politische Situation war angespannt, was | |
sich im vergangenen Jahr noch verschärft hat. Das dritte Mandat des | |
Präsidenten [2][Alpha Condé] hat für große Spannungen und Gewalt gesorgt. | |
Es gab Tote während der Proteste sowie Verhaftungen. Diese Situation hat | |
das Militär für einen Staatsstreich genutzt. | |
Zeigt der Staatsstreich nun, dass eine Verfassungsänderung und ein drittes | |
Mandat letztendlich doch nicht möglich sind? | |
Nein. Alpha Condé hat sein drittes Mandat ja bekommen. Das ist auch | |
[3][Alassane Ouattara] in der Elfenbeinküste gelungen, der weiterhin an der | |
Macht ist. Viele hoffen allerdings, dass die Staatschefs daraus ihre | |
Lektion lernen. | |
Könnte das nun die Stimmung in der Elfenbeinküste aufheizen? Auch dort gab | |
es Proteste gegen das dritte Mandat Ouattaras. | |
Man muss aufpassen. Zwar gibt es Übereinstimmungen. Man darf aber nicht | |
vergessen, dass jedes Land seinen eigenen politischen Kurs hat. Guinea | |
hatte alle Elemente, um anfällig für einen Staatsstreich zu sein. Es gab | |
bereits Staatsstreiche und Militärregime. Die Armee ist bis heute nicht | |
sehr organisiert. Diese internen Bedingungen sind stets sehr wichtig. | |
Wie wirkt sich das auf die Region aus? Auch in Mali gibt es nach dem Putsch | |
im August 2020 keine gewählte Regierung. Dort wie in Burkina Faso und Niger | |
verüben Extremisten zudem schwere Anschläge. | |
Es gibt ein Problem mit bewaffneten Gruppierungen, Dschihadisten und | |
politischer Instabilität. Das ist nicht neu. Die [4][Krise in Mali] hat | |
2012 begonnen und sich ausgebreitet. Für die ganze Region ist das ein | |
Sicherheitsproblem. Dennoch muss man die Länder individuell betrachten. | |
Welche Rolle spielt die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas? | |
Sie fordert mittlerweile, innerhalb von sechs Monaten zur Verfassung | |
zurückzukehren. | |
Die Situation in Guinea ist speziell. Viele Akteur*innen hatten sich | |
gegen Condés Verbleiben in der Politik ausgesprochen. Es wäre schlecht, nun | |
besonders hart im Umgang mit Guinea zu sein. Seit Langem gibt es viel | |
Kritik an der [5][Ecowas]. Sie verurteilt einen Militärputsch, aber keinen | |
Verfassungsputsch (also die Änderung der Verfassung, damit | |
Präsident*innen an der Macht bleiben können, Anm. d. Red.). Auch das | |
ist verfassungswidrig. Die Ecowas ist also in einer schwierigen Position. | |
Viele Menschen erinnern sich nun, dass sie kaum auf das dritte Mandat | |
Condés reagiert hat und auch nicht auf die Gewalt im vergangenen Jahr. | |
Nach jedem Staatsstreich werden zügig Neuwahlen gefordert. Was bedeutet | |
das? | |
Das kann nicht die einzige Reaktion sein. Wahlen lösen die Probleme nicht, | |
und danach kann es erneut zu einem Putsch kommen. | |
Welche Schritte sind nun für Guinea notwendig? | |
Es gibt viel zu tun. Man kann nicht darüber sprechen, wenn man | |
beispielsweise nicht weiß, wie die öffentliche Verwaltung funktioniert. | |
Wichtig ist, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten zu | |
kennen. Man muss unterscheiden, was kurz-, mittel- und langfristig | |
umzusetzen ist. Von Bedeutung ist auch, dass in Guinea ein Diskurs | |
stattfindet und gemeinsam entschieden wird, wie der Übergang abläuft. Es | |
wäre gefährlich, wenn das alleine in der Hand des Militärs liegt. Vergessen | |
darf man auch nicht, dass es viele Menschen hinter Alpha Condé gab, die | |
sein drittes Mandat befürwortet haben. Sie werden versuchen, weiterhin in | |
der Politik zu bleiben. Darauf muss man sehr achten. | |
24 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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