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# taz.de -- Lehrer*innen in Führungspositionen: Feedback mit Smiley
> Seit ich Chefin bin, entdecke ich die ehemalige Lehrerin in mir. Sie
> hilft mir, so vieles zu meistern. Aber manchmal steht sie im Weg.
Bild: Verantwortung abgeben ist ein Fremdwort für Lehrer*innen
Gute Pädagog*innen haben das Zeug dazu, richtig gute Führungskräfte zu
sein. Wer es schafft, von Teenager*innen ernst genommen und gemocht zu
werden, halbwegs auf 30 individuelle Bedürfnisse pro Klasse einzugehen,
sich Namen und Geburtstage zu merken und alle durch das Schuljahr zu
bringen, inklusive Ausflüge, die dreimal Umsteigen erfordert, der sollte
auch 30 oder 300 Erwachsene leiten können.
Gut, ich muss gerade nur zwei Angestellte und sechs freie
Redakteur*innen führen, aber es ist mein erstes Mal abseits des
Klassenzimmers, dass ich Menschen Aufgaben zuweise, Feedback gebe,
Bewerbungsgespräche führe, absage, zusage, Budget einteile und lerne
abzugeben – oder, wie richtige Führungskräfte sagen: zu delegieren.
Am schwierigsten finde ich bislang Bewerbungsgespräche. Wie soll man nach
ein paar kurzen Treffen wissen, wer die „richtige“ Wahl ist, woher weiß
ich, dass ich bei der Auswahl nicht voreingenommen bin und unbewusst
Menschen einstelle, die mir ähneln, oder ich ein eingeschränktes
Verständnis von einer „geeigneten“ Mitarbeiter*in habe, das bestimmte
Personengruppen keine Chance lässt?
Als ich unterrichtet habe, habe ich mir dieselben Fragen bei der Benotung
meiner Schüler*innen gestellt. Benote ich sie gerade fair oder nach
meinem Verständnis von einer guten Leistung – sowohl bei Deutschaufsätzen
als auch Bewerbungsgesprächen eine subjektive Entscheidung. Als Lehrerin
habe ich aber gelernt, Talente zu erkennen und zu fördern, auch wenn sie
nicht auf den ersten Blick klar erkennbar waren. Ich merke, dass mir das
jetzt auch leicht fällt und die meiste Freude bereitet.
Es gibt dann aber doch Dinge, die sich durch den „Doppelberuf“ negativ
auswirken: Als Lehrerin war ich es gewohnt, die Verantwortung für alles zu
tragen, ich konnte nicht einmal die Klasse verlassen, um kurz aufs WC zu
gehen. Heute erwische ich mich dabei, am Ende doch am liebsten auf alles
draufzuschauen, selbst im Urlaub. Es ist nicht einfach zu unterscheiden,
dass das gerade nicht meine Schüler*innen sind, sondern Menschen, die
sich freiwillig beworben haben, zu arbeiten.
Mein Führungsstil besteht zu einem großen Teil darin, dass ich nach jeder
schriftlichen Aufgabenzuweisung oder jedem Feedback ein Smiley hinzufüge.
Wie in der Schule. Niemand soll sich jemals meinetwegen abends im Bett
fragen müssen: „Wie hat Melisa das jetzt gemeint? Ist sie sauer auf mich?
Hab ich was falsch gemacht?“
Wenn ich merke, dass meine Kolleg*innen gestresst sind, erinnere ich sie
daran, dass es nur ein Job ist. Ich hoffe, das klingt nicht nach Eigenlob,
vielleicht sollte man die nächste Kolumne meine Kolleg*innen schreiben
lassen, um zu sehen, ob das auch wirklich so ankommt. Ich glaube ja gar
nicht, dass es an mir liegt, sondern vielmehr an der ehemaligen Lehrerin in
mir. Also, mehr Lehrer*innen in die Führungspositionen!
29 Sep 2021
## AUTOREN
Melisa Erkurt
## TAGS
Kolumne Nachsitzen
Lehrerin
Führungspositionen
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Bildungssystem
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