# taz.de -- Psychische Erkrankungen in der Pandemie: Die große gesellschaftlic… | |
> Psychische Gesundheit hängt stark mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen | |
> zusammen. Dort anzusetzen, sollte Priorität der nächsten Regierung sein. | |
Bild: Isolation und Ungewissheit sorgen während der Pandemie für eine erhöht… | |
Selbst für viele, die das Thema vorher nicht betroffen hat, sorgt die | |
Pandemie für eine erhöhte psychische Belastung. Fehlende Routinen, | |
Kontaktbeschränkungen, Isolation und Ungewissheit verstärkten ein Gefühl | |
von Unsicherheit. Hinzu kommt die ständige Sorge um die körperliche | |
Gesundheit. | |
Eine [1][Umfrage der Deutschen Psychotherapeutischen Vereinigung] ergab, | |
dass die Nachfrage nach psychotherapeutischer Unterstützung zwischen Januar | |
2020 und Januar 2021 um 40 Prozent stieg. Natürlich braucht nicht jede*r | |
gleich eine jahrelange Therapie – vielen hilft bereits ein kostenloses | |
Erstgespräch mit einer Person vom Fach. Dieselbe Umfrage ergab aber, dass | |
nur jede*r Vierte einen Termin für ein solches erhielt. | |
Hinzu kommt, dass nicht nur psychische Gesundheit und Therapie noch | |
stigmatisiert sind, sondern auch der Zugang zu Behandlungsangeboten nicht | |
niedrigschwellig ist. Er wird durch den belasteten Zustand an sich | |
erschwert, aber auch durch bürokratische Hürden. Mangelnde Sprachkenntnisse | |
oder ein niedriger Bildungsstand können ebenso Barrieren sein, genauso wie | |
prekäre Arbeitsverhältnisse, deren Unsicherheiten psychische Erkrankungen | |
wiederum fördern. | |
Dass Gesundheit auch ein Politikum ist, wissen wir nicht erst, aber vor | |
allem seit Corona. Warum sollte das nur für die physische und nicht für die | |
mentale Gesundheit gelten? Zeit, sich anzusehen, was die Parteien vor der | |
Bundestagswahl zu dem Thema sagen: | |
## Was sagen die Parteien? | |
Die AfD macht dazu überhaupt keine Angaben – auch Redaktionsanfragen | |
blieben unbeantwortet. Die Union beschränkt sich auf den Ausbau des | |
psychotherapeutischen Angebots. Der ist zwar wichtig, genügt allein aber | |
nicht. Linke, Grüne, SPD und FDP wollen zusätzlich zur Erweiterung des | |
therapeutischen Angebots mit Aufklärungskampagnen und Bildungsarbeit für | |
eine Entstigmatisierung sorgen. | |
Mit Präventionsmaßnahmen wollen alle vier außerdem die Vorsorge verbessern. | |
Während sich die FDP nur dafür ausspricht, bestehende Maßnahmen auf ihre | |
Wirksamkeit zu überprüfen, werden SPD, Linke und Grüne konkreter. Die SPD | |
plant eine finanzielle Förderung von Unterstützungs- und | |
Selbsthilfeangeboten an Schulen und Ausbildungsstätten. Früh bei der | |
Aufklärung anzufangen, ist elementar; laut [2][der Krankenversicherung KKH | |
steigt die Zahl psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher seit 2009 | |
stetig]. | |
## Große gesellschaftliche Lücke | |
Auch Grüne und Linke legen ihren Fokus auf Hilfsangebote an Schulen, | |
sprechen sich aber zusätzlich für Vorsorge am Arbeitsplatz aus. Betont wird | |
von beiden zudem ein niedrigschwelliger Zugang, besonders für | |
marginalisierte Gruppen – etwas, das bisher durch erwähnte Bildungs- und | |
Sprachbarrieren zu wenig berücksichtigt wurde. Die Linke geht noch einen | |
wichtigen Schritt weiter und erkennt an, dass (psychische) Gesundheit stark | |
mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen zusammenhängt. Deshalb wollen sie | |
eine Anti-Stress-Verordnung am Arbeitsplatz einführen, plädieren unter | |
anderem für höhere Löhne und mehr Urlaub sowie einen besseren Arbeitsschutz | |
für alle. | |
Gerade die Pandemie hat verdeutlicht, wie groß die gesellschaftliche Lücke | |
in Sachen Lebens- und Arbeitsbedingungen ist. Dort anzusetzen, auch um | |
psychischen Erkrankungen vorzubeugen, sollte oberste Priorität der | |
kommenden Regierung sein. | |
21 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/gesundheitspolitik/aktu… | |
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kinder-corona-111.html | |
## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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