| # taz.de -- Abtreibungsgegner*innen in Berlin: Töpfe schlagen hinterm Bauzaun | |
| > Am Samstag fand der jährliche „Marsch fürs Leben“ statt. Er fiel kleiner | |
| > aus als in den Vorjahren, dem Gegenprotest tat das jedoch keinen Abbruch. | |
| Bild: Auf der Gegendemo des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung: Die Bot… | |
| Berlin taz | Vier Frauen stehen hinter einem Bauzaun und machen Lärm. Sie | |
| schlagen auf Töpfe und Pfannen ein. Auf der anderen Seite des Zauns, ihnen | |
| gegenüber, befindet sich ein Mann. Er filmt die Frauen und klatscht dann, | |
| um ihr Geklapper zu übertönen und ruft immer wieder aggressiv „Bravo, | |
| bravo!“. | |
| Der Mann nimmt am „Marsch für das Leben“ teil, dem [1][jährlichen | |
| Protestzug] von Abtreibungsgegner*innen. Die vier Frauen sind | |
| Aktivist*innen des Gegenprotests für das Recht auf entkriminalisierte | |
| Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung. Zwei konträre Positionen, die | |
| ein Bauzaun trennt. Weil die Polizei möglichst nicht möchte, dass die | |
| beiden sich begegnen, war es dabei in den vergangenen Jahren doch immer | |
| wieder zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen. Drei Frauen, die etwa | |
| durch die Pro-Life-Demo zur Pro-Choice-Demo möchten, werden von | |
| Polizist*innen begleitet. | |
| Der Bundesverband Lebensrecht hatte am Samstag zur Kundgebung auf dem Platz | |
| des 18. März und zum Protestumzug durch Berlin aufgerufen. Erschienen sind | |
| laut Polizeiangaben eine untere bis mittlere vierstellige Zahl an Menschen | |
| aus ganz Deutschland – [2][weniger als in den Jahren] zuvor. Zum Beispiel | |
| drei junge Erwachsene, die ihren Namen gegenüber der taz nicht nennen | |
| wollen und aus Sachsen kommen: „Meine Oma ist Vergewaltigungskind“, sagt | |
| eine von ihnen. „Wenn ihre Mutter abgetrieben hätte, gäbe es mich nicht.“ | |
| Ihr Begleiter gibt an, aus religiöser Überzeugung gegen Abtreibung | |
| einzutreten: „Als Christ ist es mir besonders wichtig, für gottgegebenes | |
| Leben einzustehen.“ | |
| Die Polizei hatte im Vorfeld die Sorge, dass Coronaleugner*innen und | |
| Querdenker*innen sich unter das Demopublikum mischen, auch deswegen | |
| sind besonders viele Kommunikationsteams mit Polizist*innen unterwegs. | |
| Doch diese Befürchtungen hätten sich bis jetzt nicht bewahrheitet, so ein | |
| Polizist zu Beginn der Kundgebung gegen 13 Uhr. Beobachtet man das | |
| Publikum, sieht man vereinzelt Hinweise auf das Querdenkermilieu: Ein Mann | |
| trägt keine Maske, stattdessen an seinem Mantelkragen einen Anstecker mit | |
| dem Wort „Maskenbefreiung“. Eine andere Frau hat einen „QAnon“-Sticker … | |
| ihrem Beutel. Laut DJU-Chef Jörg Reichel ist ein*e Journalist*in | |
| körperlich angegriffen worden. | |
| Auch die politische Tendenz der Demo ist recht klar: Ein Teilnehmer betont, | |
| dass nur die AfD sich „für das Leben“, also gegen Schwangerschaftsabbrüch… | |
| positioniere. Vergleiche zwischen Abtreibung und Holocaust versuchen die | |
| Organisator*innen zwar zu unterbinden, indem sie massenweise | |
| offizielle Schilder mit Sprüchen wie „No Children, no future“ verteilen. | |
| Man findet diese Hinweise jedoch trotzdem, sogar auf einem „offiziellen“ | |
| Schild: „Nie wieder ‚unwertes Leben‘“ heißt es darauf – ein Begriff,… | |
| Nationalsozialismus in Verbindung mit der Ermordung von Menschen mit | |
| Behinderung benutzt wurde. | |
| Auf der anderen Seite des Brandenburger Tors, auf dem Pariser Platz, fand | |
| der Gegenprotest statt. Um 12 Uhr beginnt eine Kundgebung mit | |
| anschließendem Umzug des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, ein | |
| Zusammenschluss verschiedener NGOs und Gruppierungen. Sie fordern unter | |
| anderem die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung von | |
| Schwangerschaftsabbrüchen. Paragraf 218 und 219a StGB sollten ersatzlos | |
| gestrichen werden, sagt eine Rednerin der Gruppe „Feministische | |
| Medizinerinnen* e.V.“: „Es gibt keine Abschaffung von Abtreibung – nur ei… | |
| Abschaffung von sicherer Abtreibung.“ Beim Demonstrationszug des Bündnisses | |
| für sexuelle Selbstbestimmung nimmt laut Polizei eine untere vierstellige | |
| Zahl an Menschen teil. | |
| Dezentraler und spontaner Protest kam von „What the fuck“, laut eigener | |
| Angabe [3][ein Zusammenschluss verschiedener linksradikaler Bewegungen]. | |
| Nachdem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung den Pariser Platz längst | |
| schon wieder verlassen hat, sorgen die „What the fuck“-Aktivist*innen immer | |
| wieder für kurze Störungen der Kundgebung der Abtreibungsgegner*innen: So | |
| baut sich eine kleine, in Rot und Pink gekleidete Gruppe mit einem | |
| Transparent auf. Die Polizei weist sie jedoch prompt zurecht, ihre Aktion | |
| sei nicht angemeldet, und will die Personalien einer Person aufnehmen. Es | |
| kommt kurz zu einer Rangelei. | |
| Später stehen an gleicher Stelle erneut gegen Abtreibungsgegner*innen | |
| pfannenschlagende Frauen – inzwischen tut die Polizei nichts mehr. | |
| Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war von | |
| einer Teilnehmer*innenzahl im dreistelligen Bereich die Rede. Dies | |
| waren die Angaben der Polizei vom Samstagnachmittag. Wir haben die Zahlen | |
| entsprechend der aktualisierten Angaben der Polizei angepasst. Zudem wurde | |
| ein Zitat fälschlicherweise einer Aktivistin der „medical students for | |
| choice“ zugeschrieben. Tatsächlich stammt es von einer Aktivistin der | |
| „Feministischen Medizinerinnen*“. Wir haben die Quellenangabe korrigiert. | |
| 18 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Cristina Plett | |
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