Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Steuerreform in Österreich: Zaghafte Ökowende in Wien
> Österreichs türkis-grüne Regierung will mit einer Steuerreform nicht nur
> die Bürger entlasten. Auch die Energiewende soll so an Fahrt gewinnen.
Bild: Traktor in Tirol: An den Steuerprivilegien für Diesel hält die türkis-…
Wien taz | Die „größte Steuerentlastung der Geschichte“ soll in Österrei…
gleichzeitig die Energiewende bringen und alle Bevölkerungsschichten
entlasten. Um pompöse Worte ist die türkis-grüne Regierung von
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nie verlegen, wenn es darum geht, die
eigenen Leistungen zu verkaufen. So auch am Sonntagnachmittag in Wien.
Tatsächlich soll in den nächsten drei Jahren das für Österreich gigantische
Volumen von 18 Milliarden Euro umverteilt werden. Nächtelang hatten ÖVP und
[1][Grüne] über Details gefeilscht. Beide zeigten sich mit dem Ergebnis
zufrieden.
Prestigeprojekt der grünen Regierungsbeteiligung sollte eine ökosoziale
Steuerreform werden, die eine echte Energiewende bringt. Gemessen an diesem
Anspruch ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne
bescheiden. An der Zapfsäule wird sich das nächstes Jahr in höheren
Treibstoffpreisen von 8 Cent pro Liter niederschlagen. Damit bleibt Tanken
in Österreich immer noch billiger als in allen Nachbarländern. Bis 2025
soll der Energieaufschlag dann schrittweise auf 55 Euro/Tonne CO2 angehoben
werden. In Schweden liegt er jetzt schon bei 120 Euro, ohne dass dort
Massenproteste ausgebrochen wären. Nicht angetastet wurde das
Dieselprivileg, also die niedrigere Besteuerung des von Spediteuren und
Bauern favorisierten Treibstoffs.
Die zählen traditionell ebenso zur Klientel der konservativen ÖVP wie die
Unternehmen, die mit einer Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 25
Prozent auf 24 in zwei Jahren und 23 Prozent im Jahr 2025 entlastet werden.
[2][Finanzminister Blümel verteidigte das als „standortpolitisches
Zeichen“], frei nach dem neoliberalen Credo: Je niedriger die Steuern,
desto mehr wird investiert. Mit Olaf Scholz als Bundeskanzler sei in
Deutschland mit höheren Unternehmersteuern zu rechen. Österreich wolle da
einen „Kontrapunkt setzen“.
Die Grünen können hier einen kleinen Verhandlungserfolg verbuchen. Wäre es
nach der ÖVP und den Wirtschaftsverbänden gegangen, hätte man die
Körperschaftssteuer auf 21 Prozent gesenkt. Die von allen Ökonomen
geforderte Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten
findet nicht statt.
## SPÖ: Reform ist weder sozial noch ökologisch
Die CO2-Steuer wird via Direktzahlungen an die Bevölkerung zurückgegeben.
Je nach Vorhandensein öffentlicher Verkehrsmittel wird das Land in fünf
Zonen unterteilt. Wer in der Großstadt Wien lebt, bekommt weniger als ein
Bürger im strukturschwachen Südburgenland. Bei der Umverteilung sollen auch
die niedrigsten Einkommensschichten berücksichtigt werden: Wer zwischen
18.000 und 31.000 Euro jährlich verdient, soll ab Juli 2022 nur mehr 30
statt 35 Prozent Lohnsteuer zahlen müssen. Für die nächsthöhere Stufe bis
60.000 Euro gilt ein Steuersatz von 40 statt 42 Prozent. Niedrigverdiener,
die keine Steuer zahlen, sollen durch niedrigere Beiträge für die
Sozialversicherung profitieren – ein Erfolg der Grünen, den Kanzler Kurz
dreist als seinen darstellte. Der Familienbonus wird um 500 Euro pro Kind
und Jahr auf 2.000 Euro kräftig aufgestockt.
Finanzieren will Finanzminister Blümel die Reform mit größerem
Wirtschaftswachstum, das nach seiner Berechnung auch helfen werde, die
Neuverschuldung zu reduzieren. Den zaghaften Einstieg in die CO2-Bepreisung
verteidigt er mit der Menschenfreundlichkeit der Regierung: „Wir wollen die
Leute ja nicht sekieren. Das ist nicht unsere Politik.“
Die [3][Arbeiterkammer, die gesetzliche Interessenvertretung der
Arbeitnehmer in Österreich,] hat errechnet, dass ein gut verdienendes Paar
mit zwei Kindern mit einer jährlichen Entlastung von 1.715 Euro rechnen
könne, eine Arbeiterfamilie mit drei Kindern dagegen nur 308 Euro gewänne.
Einer Alleinerziehenden mit einem Kind blieben übers Jahr 438 Euro mehr.
Die Reaktionen der Opposition fielen entsprechend aus. Während
SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer die Reform als „weder sozial noch
ökologisch“ verurteilt, sieht FPÖ-Chef Herbert Kickl in erster Linie die
höheren Energiekosten und verurteilt „ein Strafpaket für die
österreichischen Steuerzahler“. Wohlmeinende Ökonominnen sehen immerhin
eine Wende in der Energiepolitik, die seit 15 Jahren versprochen, aber von
keiner Regierung angegangen wurde.
4 Oct 2021
## LINKS
[1] /Bundeskongress-in-Linz/!5774759
[2] /Oesterreich-blickt-auf-die-Bundestagswahl/!5803419
[3] https://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/Steuerreform_Nachbesserungen_…
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Grüne Partei Österreich
Österreich
Steuerreform
Sebastian Kurz
Energiewende
Österreich
Grüne Partei Österreich
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Razzia bei Österreichs Konservativen: Im Panikmodus
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gerät massiv unter Druck. Ihm wird
Bestechung vorgeworfen. Der Skandal könnte die Ibiza-Affäre toppen.
Österreich blickt auf die Bundestagswahl: Erfolgreich, aber qualvoll
Seit 2020 regieren die Grünen mit der konservativen ÖVP. Einiges konnten
sie durchsetzen, anderes verhindern. Die Entscheidung sei richtig gewesen.
Die Wahrheit: Sugo für’n Hugo
Wien ist speziell, seine Zeitungslandschaft auch. Besonders erhellend: die
rechten gratis Wegwerfblätter. Ein komischer Streifzug.
Corona im Frühjahr 2020 in Tirol: Erster Prozess zur Causa Ischgl
Im österreichischen Skiort haben sich zu Beginn der Pandemie Tausende mit
Corona angesteckt. Eine Witwe verklagt den Staat auf Schadensersatz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.