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# taz.de -- Biografie über schwarze Tennisspielerin: Tennisschläger als Waffe
> Bruce Schoenfeld hat eine Biografie über die erste schwarze
> Wimbledon-Siegerin Althea Gibson verfasst. Sie erzählt viel über
> Ausgrenzung im Tennis.
Bild: Tennischampion Althea Gibson: Gewann 1957 und 1958 in Wimbledon
Es werden bis heute als Erstes meist männliche Namen genannt, wenn es um
die großen schwarzen Sportler des 20. Jahrhunderts geht: Joe Louis oder
Muhammad Ali im Boxen, Jesse Owens und Tommie Smith in der Leichtathletik
oder eben auch der erste schwarze Wimbledonsieger Arthur Ashe im Tennis.
Dass es aber vor Arthur Ashe schon eine Wimbledonsiegerin mit dunkler
Hautfarbe gab, eine schillernde Persönlichkeit mit einer faszinierenden
Lebensgeschichte überdies, das ist weit weniger bekannt.
Die Rede ist von Althea Gibson (1927–2003), über die nun erfreulicherweise
eine Biografie in deutscher Übersetzung vorliegt. Geschrieben hat sie der
amerikanische Reise- und Sportjournalist Bruce Schoenfeld, die US-Ausgabe
erschien bereits 2004. Die aus Harlem, New York stammende Tennisspielerin
gewann als erste Schwarze 1958 das Einzelturnier in Wimbledon; allein durch
ihre Erfolge trug sie immens dazu bei, dass schwarze Spielerinnen und
Spieler überhaupt bei den prestigeträchtigen Turnieren der United States
Tennis Association (zunächst 1881 als „USNLTA“ für United States National
Lawn Tennis Association gegründet) teilnehmen durften, die lange den Weißen
vorbehalten waren.
„Wer behauptet, sie sei nur eine weitere Spielerin, verleugnet die
Wahrheit. Sie ist die allererste farbige Spielerin, die in eine Sportart
‚eingedrungen‘ ist, die selbst dann vor Snobismus trieft, wenn man dieselbe
Hautfarbe hat wie der Großteil der anderen Spieler“, schreibt der
Sportjournalist Peter Wilson über Althea Gibson bei deren erstem
Wimbledon-Auftritt 1956, wie Schoenfeld zitiert (in dt. Ausgabe in einer
vielleicht etwas ungelenken Übersetzung).
Zwar steht Gibson im Fokus, doch eigentlich ist das Buch wie eine
Doppelbiografie angelegt: Gibson ist mit der britischen Tennisspielerin
Angela Buxton (1934–2020) befreundet, im Doppel treten sie zusammen an und
holen 1956 sowohl bei den French Open als auch in Wimbledon den Titel.
Angela Buxton ist Jüdin, als solche hat sie es in England ebenfalls schwer,
Anerkennung zu erhalten im „weißen Sport“. Schoenfeld verfolgt die
Lebenswege der beiden und erzählt so auch eine Geschichte der Segregation
im Tennissport.
[1][Die Bezeichnung „Der weiße Sport“], die eigentlich daher rührt, dass
man einst nur makellose weiße Klamotten beim Tennisspielen trug, bekommt in
Schoenfelds Buch natürlich eine Doppelbedeutung. Denn im Tennis gab es, wie
in der US-Gesellschaft auch, eine „Rassentrennung“. Mit der American Tennis
Association (ATA) gründete sich 1916 ein eigener Verband schwarzer
Tennisspielerinnen und -spieler mit eigenen Turnieren. Auch Althea Gibson
nahm zunächst an den ATA-Turnieren teil. 1950 trat sie erstmals bei den
U.S. National Championships der USTLA (die heutigen US Open) an – eine
Zeitenwende im Frauentennis. Zwei Jahre zuvor war Reginald Weir als erster
männlicher afroamerikanischer Spieler dort angetreten.
## Politisch nicht aktiv
Beiden Protagonistinnen kommt Schoenfeld sehr nah in dieser Biografie.
Buxtons Geschichte erzählt viel über den mal verdeckten, mal offenen
Antisemitismus in Großbritannien, unter dem sie leidet (ihr werden mehrmals
Club-Mitgliedschaften verwehrt). Althea Gibson wird als äußerst
selbstbewusste und stolze Frau gezeichnet; eine, die immer wieder aufsteht
und die im Übrigen noch sehr wenig Geld mit dem Tennis verdient (ein Grund,
warum sie später verarmt). Dafür aber ist sie findungsreich und auch in
anderen Bereichen talentiert: Gibson spielt Saxofon und singt – und als
ihre Tenniskarriere zu Ende geht, veröffentlicht sie das Album „Althea
Gibson Sings“ (1959).
Nach der Tenniskarriere startet sie eine weniger erfolgreiche Golfkarriere.
Gibson will immer nur als starke Sportlerin, nicht aber als starke schwarze
Sportlerin wahrgenommen werden. Aktiv politisch gibt sie sich nicht.
„Selbst auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung in den sechziger Jahren
weigerte sich Althea, Stellung zu beziehen. Ihre Waffen seien Tennis- und
Golfschläger, meinte sie. Die Politik überließ sie lieber den Politikern“,
so Schoenfeld.
Schoenfeld ist ein aufschlussreiches Buch über die vielen Ismen im
Tennissport – Rassismus, Klassismus, Sexismus, Antisemitismus – gelungen.
Nebenbei darf man sich darüber freuen, dass der heutige Tennissport nach
Venus und Serena Williams, [2][nach Naomi Osaka] doch um einiges
fortschrittlicher ist. Die Namen dieser Spielerinnen dürften jedenfalls
nicht so schnell in Vergessenheit geraten.
5 Oct 2021
## LINKS
[1] /Kolumne-Pressschlag/!5565581
[2] /Athletinnen-mit-psychischen-Belastungen/!5787548
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
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