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# taz.de -- Spannungen zwischen Algier und Paris: Algerienkrieg mit anderen Mit…
> Algerien ruft seinen Botschafter aus Frankreich zurück. Grund sind
> fragwürdige Äußerungen von Präsident Macron – und offene Wunden des
> Kolonialismus.
Bild: Große Klappe? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in…
Berlin taz | Die Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich sind auf
einem Tiefpunkt gelandet. Algerien rief am Samstag seinen Botschafter aus
Paris zurück und warf dem Präsidenten der alten Kolonialmacht „Einmischung
in innere Angelegenheiten“ und „unverantwortliche Äußerungen“ vor.
Algerische Medien schäumen über Emmanuel Macron und fragen sich, ob er die
[1][Aufarbeitung der französischen Kolonialkriege] zunichtemachen wolle.
Die französische Tageszeitung Le Monde hatte am Samstag aus einem Treffen
Macrons mit 18 Jugendlichen am Donnerstag zitiert. Die Jugendgruppe trifft
sich seit Monaten, um über den Algerienkrieg zu sprechen, und war von
Macron eingeladen worden. Ein Thema: ein Massaker an algerischen
Demonstranten in Paris am 17. Oktober 1961, das unterschiedlichen Quellen
zufolge mehrere Dutzend bis mehrere Hundert Tote forderte und in Frankreich
ungesühnt bleibt – in wenigen Wochen steht der 60. Jahrestag davon an.
Ein 18-jähriger Teilnehmer der Runde forderte von Macron „die Wahrheit“
sowie eine „Anerkennung und Verurteilung“ dieses Massakers, dem sein
eigener Großonkel zum Opfer gefallen sei. Macron, so der Zeitungsbericht,
antwortete mit einer Breitseite: in Algerien erzähle man eine Geschichte,
die „total neu geschrieben“ sei und „nicht auf Wahrheiten“ gründe, son…
auf einem „Diskurs, der auf dem Hass auf Frankreich basiert“.
Macron weiter: „Die algerische Nation zehrt seit 1962 von einer Erinnerung,
in der es heißt: Frankreich ist das Problem.“ Als einer der Algerier in der
Runde ihm widersprach, sagte Macron: „Ich spreche nicht von der algerischen
Gesellschaft im Allgemeinen, sondern vom [2][politisch-militärischen
System], das sich auf dieser Erinnerungsrente errichtet hat.“ Dieses System
sei heute „müde“. Außerdem müsse man fragen, ob Algerien vor der
Kolonialzeit je eine Nation gewesen sei.
## „Weder Entschuldigung noch Reue“
Algerien wurde 1830 französisches Staatsgebiet, in dem nur weiße Siedler
Rechte innehatten. 1954 begann ein Befreiungskrieg, der über eine Million
Tote forderte, mit unzähligen französischen Kriegsverbrechen einherging und
1962 mit Algeriens Unabhängigkeit und dem Exodus der Siedler nach
Frankreich endete. Aus deren Reihen rekrutiert sich die französische
extreme Rechte um den ehemaligen Kolonialoffizier Jean-Marie Le Pen und
seine Tochter Marine Le Pen, die jede Kritik am Kolonialismus zurückweist.
Algerien wird bis heute faktisch von den Generälen regiert, die aus der
ehemaligen Befreiungsbewegung FLN (Nationale Befreiungsfront) hervorgingen.
Als im Januar der französische Historiker Benjamin Stora in Paris erstmals
einen unabhängigen Untersuchungsbericht zum Algerienkrieg vorlegte,
reagierte Macron mit der Zusage „symbolischer Akte“ zur Anerkennung von
Verbrechen, aber „weder Entschuldigung noch Reue“. Algerien hingegen
verlangte von Frankreich eine „offizielle Anerkennung seiner
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Macrons neue Aussagen fallen in den Kontext dieses Streits und des
beginnenden Wahlkampfs zu [3][Frankreichs Präsidentschaftswahlen] im April
2022. Die große Überraschung im Vorwahlkampf ist der Aufstieg des
rechtsextremen Publizisten Eric Zemmour in den Meinungsumfragen, auf Kosten
anderer rechter Kandidaten. Zemmour ist jüdisch-algerischer Herkunft, hetzt
gegen Muslime und verteidigt die Kolonialherrschaft. Der algerische
Kommentator Brahim Takherouet warf Macron vor, in Zemmours Fahrwasser zu
steuern.
Algeriens Präsidentschaft erklärte zur Begründung des Botschafterrückrufs,
Frankreichs Verbrechen „dürfen nicht Objekt einer Verdrehung der Tatsachen
und mildernder Interpretationen sein“. Am Sonntag schloss Algerien auch
seinen Luftraum für Frankreichs Militär – darauf aber ist Frankreichs
Kampfeinsatz in Mali angewiesen.
3 Oct 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
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