# taz.de -- Urteil im Mordfall Sarah Everard: Lebenslang bis zum Tod | |
> Ein britischer Polizist entführte und tötete im März die junge Frau Sarah | |
> Everard in London. Jetzt bekommt er die Höchststrafe. | |
Bild: Strafgerichtshof Old Bailey: vorne der Staatsanwalt, hinten (Mitte) der A… | |
LONDON taz | Am Abend des 3. März 2021 wurde in London die 33-jährige Sarah | |
Everards auf dem Weg nach Hause von einem Polizeibeamten entführt, | |
vergewaltigt und ermordet. Am Donnerstag erhielt der Täter, der 48-jährige | |
Wayne Couzens, [1][das höchste Strafmaß], das in England und Wales möglich | |
ist – lebenslang bis zum Tod. Die Verteidigung hatte 30 Jahre Haft | |
gefordert. | |
Der Mord an Everards hatte zu weltweiter Empörung geführt. Couzens war | |
schnell in Verdacht geraten und verhaftet worden; er gab dann zunächst nur | |
die Entführung zu und behauptete, Opfer einer Gang zu sein, die ihn dazu | |
gezwungen habe, Frauen zu kidnappen. Die Staatsanwaltschaft konnte jedoch | |
[2][beweisen], dass Couzens Everard entführte, vergewaltigte, ermordete und | |
letztendlich ihre sterblichen Überreste verbrannte. | |
Couzens, der zuletzt im diplomatischen Polizeidienst gearbeitet hatte, | |
plante nach Überzeugung des Gerichts seine Tat lange im Voraus. Bereits | |
zwei Monate vorher suchte er in London nach geeigneten Orten für eine | |
Entführung. Über Amazon bestellte er Teppichkleberollen und Gummibänder. | |
Zwei Tage vor der Entführung mietete er einen Leihwagen – laut | |
Staatsanwaltschaft, weil das Familienauto nicht ordentlich genug war um | |
damit vortäuschen zu können, dass es sich um einen Polizeiwagen handele. | |
Nachdem er seiner Familie – Couzens ist verheiratet und hat zwei Kinder – | |
gesagt hatte, er müsse Nachtschicht machen, begab er sich am 3. März auf | |
die Suche nach einer jungen Frau, die alleine unterwegs war. Everard war | |
Zufallsopfer. Couzens soll Everard eine Festnahme unter | |
Covid-19-Richtlinien vorgetäuscht haben: Damals waren noch Versammlungen | |
und Besuche verboten und die Londoner Polizei kontrollierte dies. | |
## Vorwand: Covid-19-Richtlinien | |
Die Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Überwachungskamera aus dem Inneren eines | |
Londoner Stadtbusses hatte Couzens und Everard gegen 21.30 Uhr wenige | |
Sekunden lang im Bild. Dabei zeigte Couzens anscheinend der Frau seine | |
Polizeimarke. Eine Zeugin beobachtete, wie der Täter Everard Handschellen | |
anlegte. Richter Fulford unterstrich, dass es Couzens nur unter diesem | |
Vorwand möglich war, Everard zu entführen. | |
Couzens zwang Everard auf den Rücksitz des Mietwagens und fuhr mit ihr fast | |
zwei Stunden und ganze 130 Kilometer in Richtung Dover, in die Nähe seines | |
Wohnortes. Dort wurde Everard auf einen zuvor ausgekundschafteten | |
menschenleeren Parkplatz in Couzens Familienauto umverfrachtet, dort oder | |
später vergewaltigt und schließlich von Couzens mit einem Polizeigürtel | |
erwürgt. | |
Spätestens um 2.30 Uhr soll Everard tot gewesen sein. Die Leiche versteckte | |
der Täter zunächst in einem Wald und versuchte, sie mit Benzin in einer | |
alten Kühltruhe zu verbrennen, wofür er dreimal zurückkehrte, bevor er die | |
Überreste in einen Teich warf. | |
Nach seiner Mordtat spielte der Polizist den netten Familienvater. Er fuhr | |
sogar mit seinen Kindern zu dem Waldstück, wo er die Leiche verbrannt | |
hatte, und ließ sie dort spielen. Die Mordutensilien brachte er vor seiner | |
Festnahme alle zurück in die Polizeiwache. | |
Mit diesem Verhalten habe er bewiesen, dass er keinerlei Gewissensbisse | |
gehabt hätte, sagte Richter Fulford – der Hauptgrund für die Höchststrafe. | |
## Untersuchungen auch gegen Londons Polizei | |
Eine separate Untersuchung soll nun klären, wie Couzens Polizeibeamter | |
wurde und blieb. Er soll häufig Prostituierte aufgesucht und eine Vorliebe | |
für Gewaltpornografie gehabt haben. 2015 wurde er wegen Exhibitionismus | |
belangt. | |
Die unabhängige Polizeikontrollbehörde untersucht nun die Polizei von | |
London und Kent, wo Couzens lebte. Zahlreiche Politiker forderten am | |
Donnerstag Londons Polizeichefin Cressida Dick zum Rücktritt auf. | |
Couzens, sagen Kritiker, ist kein Einzelfall. In den vergangenen 12 Jahren | |
haben britische Polizeibeamte mindestens 15 Frauen getötet, meist im Rahmen | |
häuslicher Gewalt. | |
Dass Beamte ihre Stellung missbrauchen, um Frauen zu belästigen, ist in | |
zahlreichen Fällen aktenkundig – in den Jahren 2019 und 2020 allein in | |
London in 160 Fällen. Einen [3][Frauenprotest für Sarah Everard im Londoner | |
Park Clapham Common] kurz nach ihrer Ermordung hatte die Polizei gewaltsam | |
aufgelöst. | |
Im Fall Couzens lobte jetzt der Richter die Polizei für die gründlichen | |
Ermittlungen, und die Hinterbliebenen dankten den Ermittlern für ihre | |
„beständige Unterstützung“. | |
30 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.judiciary.uk/wp-content/uploads/2021/09/Wayne-Couzens-Sentencin… | |
[2] https://www.dailymail.co.uk/news/article-10042893/How-killer-policeman-abus… | |
[3] /Frauenprotest-in-London/!5757845 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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